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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Droge oder Religion. Doch wie bei jeder Kraftquelle besteht das Risiko, zuviel mit seinem eigenen Wahnsinn zu spielen: Manchmal wendet sich der Löwe überreizt gegen den, der ihn zähmen wollte.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

17. TRITTSPUREN
    Nr. 103 683 hat die Käferställe gefunden. Eigentlich ist es ein großer Saal, wo Nashornkäfer von eindrucksvoller Statur eingestellt sind. Ihr Körper besteht aus dicken, schwarzen und körnigen Platten, die ineinanderstecken. Hinten: runde, glatte Formen. Vorne: Eine Chitinkappe, die in einem langen, gestählten Horn ausläuft, das zehnmal größer als ein Rosen-dorn ist.
    Soweit Nr. 103 683 weiß, ist jedes dieser Flugtiere sechs Schritte lang und drei breit. Sie halten sich gern im Halbschatten auf, haben paradoxerweise aber die Schwäche, vom Licht angezogen zu werden. In der Welt der Insekten ist die Helligkeit eine Verlockung, der nur wenige von ihnen zu widerstehen vermögen. Diese großen Tiere fressen Sägemehl und faulige Knospen.
    Sie lassen ihren stinkenden Kot überall fallen, denn die Decken sind hier sehr niedrig, so daß sie nur wenig Bewegungsfreiheit haben. Arbeiterinnen sind mit dem Ausmisten beauftragt, aber anscheinend sind sie schon lange nicht mehr durchgegangen.
    Das Abrichten solcher Käfer war keine einfache Sache.
    Königin Chli-pu-ni hatte die Idee, sich mit ihnen zu verbünden, nachdem einer von ihnen sie aus einem Spinnennetz gerettet hatte. Sobald sie Königin geworden war, stellte sie sie zu einer Fluglegion zusammen. Doch bislang hatte sich keine Gelegenheit ergeben, sie in den Kampf zu führen, zudem hatten sie ihre Säuretaufe noch nicht empfangen, und niemand wußte, wie diese friedlichen Pflanzenfresser in einer Kriegssituation reagieren würden, angesichts von Horden wutentbrannter Soldatinnen.
    Nr. 103 683 schlängelt sich zwischen den Beinen dieser geflügelten Mastodonten durch. Sie ist sehr beeindruckt von der Erfindung, die den Käfern als Tränke dient: Ein Blatt inmitten des Raums enthält einen riesigen Wassertropfen, dessen Haut sich in die Länge zieht, sobald eines der Tiere dort seinen Durst stillt.
    Chli-pu-ni hat diese Käfer per Duftsprache anscheinend überzeugt, sich in Bel-o-kan niederzulassen. Sie ist stolz auf ihre diplomatischen Fähigkeiten. Um zwei unterschiedliche Denksysteme zusammenzuschließen, braucht man nur ein Kommunikationsmedium zu finden, erläutert sie im Rahmen ihrer Evolutionären Bewegung. Um das zu erreichen, ist ihr alles recht: Futtergaben, Paßdüfte, Beruhigungspheromone.
    Ihrer Meinung nach sind zwei Tiere, die sich verständigen, nicht mehr dazu imstande, einander umzubringen.
    Bei der letzten Versammlung der Föderationsköniginnen haben einige Teilnehmerinnen eingewandt, daß die am weitesten verbreitete Reaktion bei allen Arten die ist, alles auszurotten, was anders ist: Wenn der eine kommunizieren und der andere töten wolle, erwische es immer ersteren. Worauf Chli-pu-ni feinsinnig erwidert hat, daß das Töten alles in allem bereits eine Form von Kommunikation sei, wenn auch die elementarste von allen. Um zu töten, müsse man sich nähern, schauen, prüfen, die Reaktionen seines Gegners vorhersehen.
    Sich also für ihn interessieren.
    Ihre Evolutionäre Bewegung war reich an Paradoxen!
    Nr. 103 683 reißt sich vom Schauspiel der Käfer los, um ihre Suche nach dem Geheimgang wiederaufzunehmen, der sie zu den Rebellinnen führen soll.
    An der Decke wittert sie Trittspuren. Es gibt sogar welche in alle Richtungen, als habe man die Laufrichtung verwischen wollen. Doch die Soldatin ist auch eine unvergleichliche Aufklärerin und versteht es, die frischesten Abdrücke zu erkennen und ihnen zu folgen.
    Diese führen sie zu einem kleinen Höcker, der tatsächlich einen Eingang tarnt. Dort muß es sein. Sie vergräbt ihren Schmetterlingskokon, der sie mehr als alles andere behindert, schiebt ihren Kopf, dann ihren ganzen Körper in den Gang und wagt sich vorsichtig voran. Geruch nach Leuten.
    Rebellinnen … Wie kann es in einem so homogenen Stadtorganismus wie Bel-o-kan Rebellinnen geben? Das ist, als hätten irgendwo in einem Eingeweidewinkel die Zellen beschlossen, nicht mehr das allgemeine Spiel des Körpers mitzumachen. Man könnte das mit einer Blinddarmentzündung vergleichen. Nr. 103 683 ist dabei, eine Blinddarmentzündung aufzudecken, die die ganze lebende Stadt bedroht.
    Wie viele gehören zu der Verschwörung? Was sind ihre Beweggründe? Je

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