Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
der nackten Wand empor. Viele wurden von den eigenen Wurfankern getroffen. Kein Goblin war kräftig genug, die Haken über die Mauerkrone zu bringen, aber sie versuchten es dennoch.
Die Verteidiger schossen weiter. Ihre Pfeile rissen Lücken in die nachdrängenden Scharen. Menschen warfen Steine hinab, mitunter große Blöcke, die sie zu viert heranschleppten. Sie schmetterten die Angreifer von den Mauern, zerschlugen die Leitern. Ein beißender Geruch lag in der Luft. In den tieferen Stollen des Stadtwalls kochten die Verteidiger Pech und schmolzen Blei, das sie durch verborgene Rinnen und über Pechnasen auf die Angreifer ausgossen.
Die siedende Flüssigkeit rann über den Stein und verbrühte die kletternden Goblins, sie sprühte und plätscherte aus den Pechnasen auf Krieger, die sich schreiend und brennend am Boden wälzten. Nicht einer von ihnen erreichte die Brustwehr.
Nachtalben bezogen Stellung auf den Mauern und ließen Zauberfeuer auf die Angreifer niedergehen. Blitze zuckten aus den tiefen, dunklen Wolken auf Hagaz’ Heer hinunter, Feuersäulen, die die Goblins scharenweise niederstreckten und Löcher in den Boden schlugen. Ein Nachtalb schleppte einen Korb mit Tonkugeln auf den Wall und kippte ihn über die Kante. Rohe Schwingen schwirrten, und aus den Tonbrocken wurden selbstlenkende Geschosse. Mit einem Sirren beschleunigten sie und suchten sich ihr Ziel.
Da stürmten Goblins mit Rammböcken heran. Es waren armselige Stämme, kaum vier Schritte lang und aus den brennenden Hainen vor der Stadt geborgen. Gedeckt von Kriegern mit großen Schilden liefen die Trupps auf das Tor des Blutes zu. Sie rammten die stählernen Türflügel. Ihr Ansturm ließ nicht einmal die magischen Runen aufleuchten, die das Tor schützten.
Oben auf dem Torturm arbeiteten die Kobolde an dem großen Metallkessel. Sie hielten kurz inne, als unten die Goblins an das Tor klopften, und beugten sich höhnend über die Brustwehr. »Größere Schlegel«, schmähten sie die Angreifer. »Ihr braucht größere Schlegel, wenn ihr diese Trommel schlagen wollt!«
Sie hüpften auf den Zinnen, johlten und spuckten auf die Goblins, die wieder und wieder mit ihren Bäumchen gegen das Tor anrannten. Schließlich schleppten Menschen ölgefüllte Schläuche heran, schleuderten sie die Mauer hinab und warfen Fackeln hinterher. Stricke und Leitern, Goblins und provisorische Rammböcke, alles ging gleichermaßen in Flammen auf.
Als eine graue Morgendämmerung zwischen den Wolken hindurchsickerte und das Schlachtfeld in blasses Zwielicht tauchte, zogen Hagaz’ Heerscharen sich zurück. Ihre Toten ließen sie liegen, durchbohrt, zerschmettert, gesotten und verbrannt.
Darnamur beobachtete, wie Fitwiz sich weit über die Zinnen beugte. Der gelbe Goblingeneral zeigte in einem Lächeln seine Zähne und schnoberte. Er sog den Duft des Schlachtfelds ein wie feinen Bratenduft. Ganz allmählich ließen die Verteidiger die Waffen sinken. Jubel wurde laut. Erschöpft, aber zufrieden zogen die Einheiten auf den Mauern sich zurück. Nur eine Restbesatzung von Menschen blieb auf den Wehrgängen.
Auf dem Turm über dem Tor herrschte noch eine Weile länger hektische Betriebsamkeit. Die Kobolde und ihre Menschendiener werkelten weiterhin an Smatras Maschine. Sie schaufelten Holzkohle durch eine Luke ins Innere, füllten Wasser aus Eimern ein und merkten erst allmählich, dass sie die Schlacht versäumt hatten. Darnamur schnupperte. Rauch trieb heran. Er kam aus Richtung der Stadt, und die Kunde verbreitete sich: »Die Vorstadt brennt!« Viele Menschen hielten erschrocken inne und sahen einander betroffen an.
Darnamur zuckte die Achseln. Die Vorstadt lag außerhalb der alten, unüberwindlichen Mauern von Daugazburg. Sie war nur von einem niedrigen Erdwall und einzelnen Palisaden geschützt. Deshalb hatte Darnamur sie auch räumen lassen.
Irgendwann während des Gefechts mussten versprengte Goblintrupps auf diese Seite der Stadt gelangt sein. Sie hatten dort keine Verteidiger angetroffen und die unzulänglichen Barrieren überwunden. Darnamur hörte von plündernden Scharen, von brennenden Häusern im ehemaligen Viertel der Menschen.
Forderungen nach einem Ausfall lehnte er ab, und bald stand die Vorstadt lichterloh in Flammen. Darnamur zog sich in die Zitadelle zurück. Unterwegs traf er Menschen, die die Zerstörung ihres Heimatviertels verfolgt hatten, bis der Qualm sie von den angrenzenden Wällen vertrieben hatte. Ihre Gesichter waren rußgeschwärzt,
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