Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
den Arm um die Schultern. »Gut, dass du da bist, Ganoch. Du wurdest vermisst. Hast du etwas mitgebracht?«
Ganoch lächelte, aber Darnamur erkannte einen bitteren Zug um seine Mundwinkel. »Alle Pakete«, sagte er. »Und da, wo es herkommt, gibt es noch einen gehörigen Vorrat. Köpfe und Pelze. Keine appetitliche Angelegenheit.«
»Dann übernehme ich von hier an«, sagte Darnamur. »Welcher Drache?«
Ganoch wies auf den rechten. »In den Beuteln an der Flanke … Du wirst den richtigen Sack erkennen.«
Darnamur nickte. »Ganoch, Dranjar, sorgt dafür, dass alle Truppen zum westlichen Wall kommen. Nur eine Notbesatzung auf den anderen Befestigungen. Ich will Goblins und Menschen dort sehen. Wenn alles gut geht, wird Hagaz keinen weiten Weg zurücklegen wollen.«
Er lief auf den Drachen zu.
Die Echse zischte und wandte den Kopf. Darnamur erstarrte. Instinktiv riss er die Arme hoch. Aber die Vila hinter dem langen Hals zerrte am Zügel, und der Drache gehorchte. Darnamur ging langsamer weiter. Sein Puls raste, und die freudige Erregung war geschwunden. Ein Flug, ein waghalsiger zudem – eben noch war er ganz begierig darauf gewesen. Doch nun hätte er es vorgezogen, einen Greif zu besteigen.
Die Vila streckte ihm die Hand entgegen und half ihm auf den freien Sattel hinter ihr. Ihr blasses, fast durchscheinendes Gesicht hatte etwas Katzenhaftes an sich. Sie lächelte, aber Darnamur zuckte bei der Berührung unwillkürlich zurück. Vilas, Gestaltwandler – sie brachten Krankheit und Tod. Aber sie waren nützlich.
Er nahm sich zusammen und betastete die Taschen. Rasch fand er den wohlgefüllten Sack, den er suchte, und den Rest der Packen schnallte er los. Er tippte die Vila an und ließ sie die vorderen Packtaschen lösen.
»Kein Grund, alles aufs Spiel zu setzen«, sagte er zu der Drachenführerin. »Wenn die Goblins uns erwischen, können die anderen mit dem Rest weitermachen.«
Die Vila wandte sich zu ihm um und kratzte fast liebevoll über die roten Drachenschuppen neben dem Sattel. »Die Goblins erwischen uns nicht«, sagte sie. »Raudbruna ist hart und schnell.«
Der Drache schlug träge mit den Schwingen, als links und rechts von seinem Leib die Packen auf das Turmdach plumpsten. Darnamur sicherte die Riemen, die ihn am Sattel hielten, und presste die Öffnung des verbliebenen Sacks fest an sich.
»Los!«, kommandierte er.
Raudbruna, der Drache, breitete die Flügel weiter aus. Auf eine leichte Handbewegung seiner Reiterin hin tat er einen Schritt zurück und ließ sich einfach vom Turm fallen. Darnamur jauchzte auf und umklammerte den Sack fester. Im Flug entfaltete der Drache die Lederschwingen ganz, fing den Wind, und aus dem Fallen wurde ein Gleiten.
Sturm brauste um Darnamurs Ohren, die Kälte fuhr ihm in den Hals und unter die Weste. Das lange Kapuzengewand der Vila vor ihm flatterte.
Binnen weniger Augenblicke wurden Darnamurs Finger klamm, und seine Zähne klapperten. Dennoch genoss er den Flug. Er genoss den Schmerz! Der schwere Himmel über ihm drohte ihn zu erdrücken, die Landschaft in der Tiefe war ein Schatten mit Zähnen. Die wuchtigen Wälle und Türme von Daugazburg blieben hinter ihm zurück. Gelb und rot leuchteten die Fenster in der dräuenden Silhouette der Stadt.
Aber hier, in der Luft, fühlte Darnamur sich frei. Er atmete tief durch, als wäre eine Last von ihm gefallen, und rief dann seiner Begleiterin zu: »Über das Goblinlager. Ein paar tiefe Schleifen, damit wir ihre Aufmerksamkeit wecken. Ein, zwei kleine Feuer, aber nicht mehr!«
Die Vila nickte. Sie wendete den Drachen und ging in einen Sturzflug über. Darnamur beugte sich nach vorn. Tränen schossen ihm in die Augen.
Dann sah er Bewegung.
Goblins, überall!
Sie bauten Zelte auf, hoben Feuergruben aus. Sie arbeiteten an Befestigungen, über die der Drache mühelos hinwegglitt. Immer noch marschierten weitere Kompanien durch die umliegenden Felder heran. Darnamur sah große Ochsenkarren zwischen den brennenden Bäumen in der Ferne.
Raudbruna spie Feuer. Ein erbärmliches Flämmchen, verglichen mit dem Unkwitt. Aber die züngelnde Lohe leckte zwischen den Goblins einher, ließ sie brüllend auseinanderstieben, und zwei halb aufgerichtete Zelte gingen in Flammen auf.
Die Vila zog den Drachen hoch. Speere und vereinzelte Pfeile folgten ihnen. Aber die Geschosse flogen so langsam und träge und berechenbar, dass Raudbruna zwischen ihnen hindurchtauchte wie ein Hecht durch einen Schwarm von Forellen. Übermütig
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