Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
aufgeschoben. Ich wollte nichts tun, was die Zusammenarbeit im Rat gefährdet hätte.«
Wann immer sie auf Gnome trafen, verstummten Bleidan und Frafa. Sie begegneten Gnomen in deren normaler Gestalt, aber auch den winzigen Beobachtern. Diese Späher versteckten sich meist an Kreuzungen im Mauerwerk. Frafa spürte ihre Magie, aber nirgendwo roch sie Bleidans Salbe. Entweder gab es hier keine Spione, die sich besonders vor Nachtalben verbargen, oder Bleidans Gegenzauber wirkte nicht.
»Warum tust du es jetzt?«, fragte sie.
Bleidan hob ratlos die Hände. »Inzwischen glaube ich nicht mehr, dass es jemals eine echte Zusammenarbeit gab. Mit Darnamur an der Spitze kommen wir nicht weiter. Er verhaftet unbequeme Leute, wenn er einen Vorwand findet. Gibt es keinen Vorwand, lässt er sie ermorden.«
»Aber geht das denn?«, fragte Frafa. »Du hattest doch gesagt, dass der Rat …«
»Im Rat spricht man nicht darüber. Es gibt ja keine wirklichen Beweise. Aber du hast recht: Auf lange Sicht verliert Darnamur dabei mehr Rückhalt, als er kurzfristig gewinnen kann. Darum glauben wir, dass seine Pläne auf lange Sicht überhaupt keinen Rat und keine Rechtmäßigkeit mehr vorsehen.«
In einem entlegenen Winkel des Nachtviertels führte Bleidan sie eine schmale Treppe hinab, die außen an einem Turm unter die Erde führte. Sie traten durch eine Türöffnung in einen Kellergang. Hinter einer Ecke stand ein Vampir Wache. Er nickte ihnen zu.
Das Tageslicht blieb hinter ihnen zurück, und vor sich hörte Frafa gedämpfte Stimmen. Gespinst hing an den Wänden. Mitunter glänzte es seidenweiß, wenn doch einmal ein verirrter Schimmer vom Eingang sich in die Schatten verirrte. Der Gang endete vor einer schweren Pforte.
Bleidan klopfte. Frafa erahnte ein Gesicht hinter einer vergitterten Öffnung, dann wurde auf der anderen Seite ein Riegel zurückgeschoben.
»Willkommen im Spinnwebsalon«, sagte Bleidan.
An einem weiteren Vampirwächter vorbei und durch einen Vorhang hindurch gelangten die beiden Alben in einen großen Kellerraum. Es sah aus, als wären viele kleine Räume durch unvollendete Mauerdurchbrüche verbunden worden. Oft gab es Stufen zwischen den Tischen, und die unregelmäßigen Wände bildeten viele schlecht einsehbare, geschützte Winkel. Drei rote Lampen brannten unter der niedrigen Decke und verbreiteten ein dumpfes Glühen. Überall hingen Spinnweben mitsamt ihren achtbeinigen Bewohnern: Sie spannten sich zwischen den Möbeln und an den Wänden entlang, Spinnen krabbelten an der Decke und krochen über die Tische.
Frafa setzte ihre Füße vorsichtig auf.
»Bleidan! Willkommen!«
Die Wirtin trat auf sie zu. Frafa blinzelte. Sie musste zweimal hinsehen, bis sie Litiz erkannte. Die Albe hatte ihr Haar kurz geschnitten und goldgelb gefärbt. Das sah über ihrem runden, dunklen Albengesicht so merkwürdig aus, dass Frafa sie fassungslos anstarrte.
»Hallo, Frafa«, begrüßte Litiz sie.
Frafa fasste sie am Arm. »Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist«, sagte sie. »Ich war in deiner Xotoc-Stube, bevor … bevor Bleidan zurückgekehrt ist.«
Litiz legte den Kopf schräg. »Ja. Ich musste eine Weile untertauchen. Aber jetzt habe ich ein neues Lokal, weiter weg von den Goblins. Und von den Gnomen.« Sie lachte und wies auf die Spinnweben. »Ich habe gehört, sie wollen den alten Turm am Drauzwinkel sogar ganz abreißen.«
»Oh ja.« Bleidan verzog den Mund. Frafa wunderte sich, dass ihm das Bauwerk so viel bedeutete. »Darnamur will einiges abreißen.«
»Aber komm, deine Freunde warten schon!« Litiz führte Bleidan und Frafa an einen größeren Tisch in einer halbrunden Nische des Kellerraums.
Ein halbes Dutzend Nachtalben saß dort versammelt. Bleidan begrüßte sie, und Frafa folgte zögernd seinem Beispiel. Alle hatten Bleidan schon zu anderen Gelegenheiten in seinem Turm besucht. Zwei von ihnen, Megerin und Gaurgan, waren Mitglieder des Rats.
Frafa rückte ihren Stuhl ein wenig vom Tisch ab. Die Alben schauten sie auf eine Weise an, die ihr Sorgen bereitete. Das war nicht nur ein weiteres Gespräch mit Bleidans politisierenden Freunden, bei dem sie unbeteiligt im Hintergrund sitzen und Xotocl trinken konnte.
Sie wollten etwas von ihr.
»Du erinnerst dich an das letzte Treffen der Fortschrittsfreunde vor dem Umsturz?« Bleidan wandte sich ihr zu.
Das Treffen in der Lagerhalle! Frafa zuckte zusammen.
»Ich wollte eigentlich nicht daran denken.« Frafa verzog das Gesicht. »Mir ist damals die
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