Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Darnamur will gar keine friedliche Regierung. Er will auf Dauer mit seinen Kriegern herrschen, am besten mit solchen, die ihm persönlich ergeben sind. Er spielt nur auf Zeit, bis er wieder stark genug ist, um den Rat ganz zu übergehen.«
Frafa schaute misstrauisch durch den Spinnwebsalon. Sie roch keine Gnome. Doch womöglich hatte Darnamur andere Spione hier, auch wenn die Alben leise sprachen und ein wenig abseits saßen. Frafa war gar nicht wohl zumute.
Alle am Tisch schauten sie an, und sie schaute zurück, wartete darauf, dass Bleidans Freunde endlich zur Sache kamen.
»Warum erzählt ihr mir das?«, fragte sie. »Ich bin nicht im Rat. Ich kenne niemanden.«
»Im Rat gewinnen wir ohnehin die Oberhand«, sagte Megerin. »Aber Darnamur baut sich neben dem Rat eine neue, eine eigene Hausmacht auf. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.«
Eine Armee von Alben, dachte Frafa. Wollen sie mich dafür gewinnen?
»Wir wissen, was du im Palast tust«, sagte Bleidan.
Die übrigen Nachtalben am Tisch schauten Frafa erwartungsvoll an. Sie zog den Kopf ein.
»Es tut mir leid, Frafa«, fuhr Bleidan fort. »Ich ziehe dich nur ungern da hinein. Du erinnerst dich, ich war von Anfang an dagegen, dass du dieses Amt übernimmst. Aber wir müssen etwas gegen Darnamur in Stellung bringen. Eine eigene Macht, mit der wir gegen ihn kämpfen können, wenn es nötig ist. Oder mit der wir ihn zumindest dazu zwingen, nach den Regeln zu spielen.«
»Unsinn«, sagte Megerin. »Wenn wir stark genug sind, vernichten wir ihn. Alles wird besser ohne diesen Verrückten an der Spitze. Hast du dir in letzter Zeit mal die Stadt angeschaut?«
Bleidan seufzte. Er sah nur Frafa an. »Ein friedlicher Übergang wäre mir lieber. Wir haben den Rat, wir sollten ihn nutzen. Ich will keinen Kampf und ich will keine Rache, Frafa. Ich will, dass du das verstehst. Aber die Macht sollte in den richtigen Händen liegen. Und wir haben nicht viele Möglichkeiten, eine Macht zu erringen, die auch gegen Darnamurs Meuchelmörder und Krieger bestehen kann. Aber du kannst über diese Macht verfügen.
Frafa, wir wollten dich bitten, Leuchmadans Kästchen aus dem Palast zu bringen.«
Wito, Magati und Audan saßen verwirrt beieinander und überlegten, wie sie diese unmögliche Situation deuten sollten. Audan und Magati wussten genau, dass sie in Käfergröße zwischen den Bodenplatten des Labyrinths saßen. Nun aber behauptete Wito, dies hier wäre das wahre Labyrinth und er hätte niemals seine Größe gewechselt. Wie passte das zusammen?
Schließlich sagte Wito: »Kommt, nehmen wir unsere kleine Gestalt an.«
»Das geht nicht«, widersprach Magati. »Wir haben bereits unsere kleine Gestalt angenommen, um zu dir zu kommen. Gnome können sich nicht doppelt klein machen.«
»Aber ich bin in meiner normalen Gestalt hier«, widersprach Wito. »Und doch sind wir gleich groß. Wenn ich mich noch kleiner machen kann, müsstet ihr das auch schaffen.«
Magati und Audan sahen einander an. Wito erhob sich und trat ein Stück vom Feuer weg. »Kommt«, wiederholte er. »Versuchen wir es einfach. Das Labyrinth ist ein magischer Ort.«
Er lächelte. Die beiden jüngeren Gnome kamen zu ihm. Sie schlossen die Augen und legten das Gesicht in Falten. Doch nichts geschah.
»Es geht nicht«, sagte Magati schließlich.
»Also gut«, meinte Wito. »Ich zuerst und dann ihr.«
Er machte sich klein. Augenblicke später schlossen sich Audan und Magati ihm an. Sie schauten sich verblüfft um.
»Unglaublich«, sagte Audan. Er tastete mit der Stiefelspitze über den Boden. Der Untergrund war bröselig. In der Ferne sah man Silhouetten aufragen wie Tafelberge. Der Grund um sie her war steinig und sanft gewellt. Die Gnome versuchten, sich noch kleiner zu machen, aber das klappte nicht.
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte Magati.
Sie wurden wieder größer und standen bei Witos Feuer. Als Wito seine beiden Begleiter aufforderte, ihre große Gestalt anzunehmen, stutzten die.
»Aber … wir haben uns doch gerade groß gemacht«, wandte Audan ein. »Dann müssten wir uns jetzt ja zweimal groß machen.«
»Ihr habt euch gerade ein zweites Mal klein gemacht«, stellte Wito nüchtern fest.
Magati konzentrierte sich und schüttelte den Kopf.
»Stellt euch einfach den Gang vor, so wie ihr ihn kennt. Ihr kommt von dort, ihr könnt zurückkehren.«
Audan und Magati wurden wieder groß – und Wito folgte ihnen. Sie standen nun in dem Teil des Systems aus Gängen, das Audan und Magati
Weitere Kostenlose Bücher