Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Darnamur blickte von seinen Papieren auf. Seine Stimme klang nicht wie die übliche flüchtige Begrüßung.
Sie blieb wie erstarrt stehen. Ihr Herz schlug schneller. Hatte er bemerkt, wie sehr sie in letzter Zeit versagte? Er verstand nichts von Magie, und sie hatte sich darauf verlassen, dass es außer ihr niemandem auffiel.
Oder ging es um Bleidans Verschwörung?
Sie schaute Darnamur erschrocken an.
Der runzelte die Stirn. »Geht es dir nicht gut?«, fragte er.
Frafa schüttelte hastig den Kopf. »Ich bin müde …«, sagte sie schnell.
»Ich wollte mit dir über deinen Freund reden. Über Bleidan.«
Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Darnamur lächelte. »Ich sehe, du verstehst, worauf ich hinauswill.«
Wieder schüttelte Frafa den Kopf. Sie zog die Schultern hoch.
Darnamur sprach ungerührt weiter. »Ich habe das Gefühl, ich kann ihm nicht mehr trauen. Aber er vertraut dir. Ich wollte dich bitten, ihn ein wenig für mich im Auge zu behalten. Aber vielleicht gibt es jetzt schon etwas, was du mir sagen möchtest?«
»Er macht ja ständig Politik für den Rat«, brachte Frafa heiser hervor. »Davon verstehe ich gar nichts. Ihr sitzt im Rat und habt überall Eure Gnome, die Euch alles zutragen. Was sollte ich Euch da Neues verraten können?«
»Tja«, sagte Darnamur. »Sag du es mir! Bleidan trifft sich in letzter Zeit mit so vielen Leuten, und ich bin mir sicher, er ist an etwas Wichtigem dran. Aber ich bekomme immer nur Belanglosigkeiten zu hören. Fast könnte man meinen, Bleidan ginge meinen Spähern aus dem Weg. Und wer seine Absichten so gründlich verborgen hält, hat meist einen Grund dazu. Womöglich verschwört er sich gegen den Rat … Du würdest doch keinen Verbrecher decken, Frafa?«
»Ihr deckt auch einen Verbrecher. Ganoch.«
Die Worte waren Frafa entschlüpft, ehe sie recht darüber nachgedacht hatte. Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund. Sie sah, wie Darnamur kurz die Brauen hob. Schließlich schnaubte er belustigt.
»Also gut«, sagte er. »Lassen wir dieses Geschwätz von Recht und Moral. Reden wir miteinander, wie es richtige Nachtalben tun. Ich hoffe nur, Bleidan ist ebenso aufrichtig und hat nicht versucht, dich mit so einem Schmu zu packen zu kriegen. Und wenn doch, hoffe ich, du warst nicht so dumm, darauf hereinzufallen …«
»Bleidan hat sich immer nur für das Wohl von Daugazburg eingesetzt«, widersprach Frafa empört. »Für das Wohl aller Völker.«
Darnamur winkte ab. »Ich weiß genau, was Bleidan tut. Du auch? Ich gebe zu, seine Arbeit im Haus der Schreie ist nützlich. Aber es ist keine besonders anständige Arbeit, nicht wahr? Es ist mehr das, was man von einem Nachtalb erwarten würde. Bleidan hat nicht viele Skrupel, wenn es seinen Zwecken dient.«
Darnamur rutschte von seinem Stuhl herunter und trat auf Frafa zu. Er war nur halb so groß wie sie, aber Frafa griff trotzdem Schutz suchend nach Balgir. Das Taschentier saß auf ihrer Schulter und schaute angelegentlich in eine andere Richtung.
»Hier ist ein Krieg im Gange, Frafa«, sagte Darnamur. »Darüber musst du dir im Klaren sein. Er wird nicht mit Waffen ausgetragen. Aber es ist derselbe Krieg, den ihr Nachtalben schon immer ausgefochten habt: ein Krieg um Macht und Posten und Einfluss. Bleidan spricht von Recht, und in Wahrheit kämpft er um die Macht. Ich verteidige mich natürlich. So einfach ist die Wahrheit. Du musst dich entscheiden, auf welcher Seite du stehen möchtest.«
»Bleidan ist ein guter Freund«, sagte Frafa. »Er hat mir immer geholfen. Außerdem versteht Ihr ihn sowieso falsch. Er würde nie etwas Unrechtes tun!«
Darnamur hob die Hände. »Bitte. Erspar mir peinliche Lügen. Ich habe das ›Auch‹ in deinem Satz sehr wohl verstanden, als wir darüber sprachen, wer einen Verbrecher deckt. Aber ich sehe darüber hinweg. Noch. Weil ich dich nicht als Feind haben möchte, sondern als Verbündete überzeugen will.
Deine Tante und ich, wir waren Kampfgefährten. Wir wussten, woran wir miteinander waren. Dasselbe kann ich dir auch bieten – keine weinerlichen elfischen Winkelzüge. Ich habe dir einen Posten und Macht und Einfluss gegeben. Wenn du auf meiner Seite stehst, wirst du mehr bekommen. Einen Platz im Rat. Bleidans Platz im Rat. Ich werde dich behandeln, wie man es mit Verbündeten tut.
Wenn du auf Bleidans Seite bleibst, was hast du dann? Einen Platz als seine Freundin? Eine Kammer als seine Schülerin in seinem Turm? Er sieht in dir ein Kind, Frafa. Wenn du dich ihm
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