Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
suchen, die Magati uns gewiesen hat. Wir suchen nach Blutspuren am Boden. Werzaz kämpft. Ob nun er verletzt wird oder sein Gegner – wir müssen Spuren finden, wenn wir auf dem richtigen Weg sind.«
Sie folgten Witos Plan. Audan kam nur widerstrebend hinterher. »Wann brechen wir die Suche ab?«, fragte er hoffnungsvoll. »Ich meine, wenn wir keine Spuren finden?«
»Überhaupt nicht«, antwortete Wito grimmig. »Wir lassen niemanden hier zurück.«
»Aber wenn wir ihn gar nicht finden«, mäkelte Audan. »Ich meine, wir können doch nicht ewig hier
herumlaufen. Tagelang, jahrelang. Irgendwann müssen wir abbrechen.«
Wito blieb stehen. Er kam zu Audan zurück, legte ihm links und rechts die Hände auf die Schultern
und schaute ihm fest in die Augen. »Wenn wir Werzaz nicht wiederfinden«, verkündete er im Brustton
der Überzeugung, »dann können wir auch keinen Ausgang finden.«
19. K APITEL:
W AS WÜRDE EIN N ACHTALB TUN ?
Wenn ich mich recht entsinne, hat der Vorsitzende Darnamur seit Bestehen des Rates kaum einen Antrag eingebracht, der nicht mit dem Militär in Verbindung gestanden hätte. Und jetzt, wo er sein Augenmerk endlich einmal zivilen Belangen zuwendet, fordert er ausgerechnet Bauvorhaben, für die halb Daugazburg niedergerissen werden müsste?
Er will Trolle nach Daugazburg holen, nachdem er die Hälfte aller Menschen und damit einen großen Teil unserer Arbeitskräfte in die Wildnis geschickt hat. Die Vorstadt hat er preisgegeben, obwohl sie seit dem Umsturz zum Herzen von Handel und Handwerk wurde. Um die Pflanzungen vor den Mauern steht es schlechter als zu Zeiten der Fei. Die Verfolgung der Goblins hat auch Fastenwall als letztes Zugpferd unserer Ökonomie straucheln lassen. Wenn ich also an den Aufbau der Stadt denke, hätte ich Dringlicheres vor Augen als Prachtbauten.
Der Vorsitzende Darnamur verweist auf die wohlgefüllten Schatzkammern, die der Rat von der Fei geerbt hat. Ich aber frage: Wo sollen die Arbeitskräfte herkommen, die er damit bezahlen will? Wo will er mit Gold und Gemmen die Steine und das Bauholz kaufen, die Werkzeuge und all die Dinge, die man für seine Bauvorhaben benötigt? Wo die Vorräte, die in der Stadt gebraucht werden?
Wir sollten uns also lieber dem Wirtschaften zuwenden, nicht dem Prunk. Denn wenn niemand von uns einen Zauber kennt, um Gold ohne Umweg in Güter und Nahrung zu verwandeln, dann sehe ich unsere Stadt trotz wohlgefüllter Schatzkammern auf dem Weg in die Armut.
B LEIDAN , DER N ACHTALB ,
R EDE VOR DEM H OHEN R AT
Ein frischer Wind blies durch die Gassen von Fastenwall und wirbelte bitteren Staub auf. Frafa hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Sie stand an der Ecke von Stachgatan und Smeitgarda, wo sie sich mit Bleidan und seinen Freunden verabredet hatte.
Argwöhnisch beobachtete sie einen untersetzten Goblin, der zwei Häuser weiter eine Werkstatt auskehrte. Mit seinen langen, muskulösen Armen schwang er einen einfachen Reisigbesen. Er wirkte einsam vor der breiten, mehrstöckigen Fassade mit den vielen leeren Fenstern. Als der Goblin zu ihr herüberschaute, zog Frafa sich tiefer in einen Hauseingang zurück.
Sie war es nicht gewohnt, so lange in Fastenwall zu verweilen. Früher war sie nie in dieses Stadtviertel gekommen. Inzwischen durchquerte sie es regelmäßig, wenn sie zur Zitadelle unterwegs war. Aber sie blieb möglichst auf den Hochstraßen und eilte auf kürzestem Wege hindurch.
Sie empfand die Ruhe an diesem Tag als ungewöhnlich und bedrückend. Es sollte anders sein! Selbst in Aldungans Turm war Fastenwall stets gegenwärtig gewesen, als Teil der beständigen Geräuschkulisse von Daugazburg. Nun waren die Schmieden verstummt, der Qualm hatte sich verzogen. In der Luft hing ein fauliger Geruch von Färbern und Gerbern, der nicht länger von den Ausdünstungen der größeren Gewerbe überdeckt wurde.
»Wo ist das Kästchen?«
Frafa zuckte zusammen. Es war Megerin, Bleidans Freund aus dem Rat. Der Alb war unvermittelt neben ihr aufgetaucht.
»Nicht weit von hier«, sagte sie. »Ich habe es versteckt.«
Megerin schnaubte. Er kniff die Augenbrauen zusammen und ließ seinen Blick prüfend über die Umgebung schweifen.
Nach und nach tauchten weitere Verschwörer auf. Und auch Bleidan erschien. Bald stand Frafa mit vier Alben in dem Hauseingang, und alle schauten sich unbehaglich um.
»Wir müssen los«, sagte Bleidan. »Wir können hier nicht warten.«
»So ist das also«, sagte Gruniz. »Schon hast du die
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