Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
war.
Konnte er ihm trauen?
Aber Aldungan hatte schon unter der Fei zurückgezogen gelebt und niemals Interesse an Macht und Politik gezeigt. Er war ein Gelehrter und damit vermutlich der beste, der einzig mögliche Vertreter der alten Ordnung, mit dem eine Zusammenarbeit möglich war. Weshalb sollte Aldungan sich mit einem Mal in die Politik einmischen und sich gegen den Rat stellen?
Wito schluckte. Er hatte Darnamur gegenüber von Vertrauen gesprochen. Jetzt fand er seine eigenen Worte auf die Probe gestellt. Aber er glaubte an einen Ausgleich und an eine Vereinbarung, die beiden Seiten gerecht wurde.
»Ich kann das natürlich nicht allein entscheiden«, sagte er. »Wir werden sogleich den Rat einberufen und erörtern, wie unsere Zusammenarbeit aussehen soll. Aber ich zweifle nicht daran, dass Darnamurs Angebot in vollem Umfang gebilligt wird.«
Aldungan machte eine wegwerfende Handbewegung. »Den Platz in eurem Rat brauche ich nicht. Ich habe keine Neigung, meine Tage im Gespräch mit ungebildeten Laien zu verbringen. Ich sehe nicht eine zauberische Schrift in deinem Arbeitszimmer, Gnom. Dieser Rat ist eine Arbeit für Krämer.«
»Nun«, sagte Wito, »wenn Ihr Euer altes Leben wiederaufnehmen wollt, so werdet Ihr im neuen Daugazburg ebenso gute Bedingungen bekommen wie unter der alten Herrschaft. Dafür verbürge ich mich. Es gibt nicht mehr viele Zauberer, und ihr wäret der unumschränkte Meister der Magie. Der Rat könnte Euch die Leitung einer neuen Akademie übertragen, um wiederaufzubauen, was wir im Laufe der Revolution verloren haben. Wir könnten Euch Mittel für die Forschung zuweisen, die alles übersteigen, worüber Ihr zu Zeiten der Fei verfügen konntet.«
»Ja«, sagte Aldungan. »Die Zukunft von Daugazburg. Wie ich sehe, habt ihr sie schon halb verspielt. Darüber können wir später reden. Erst einmal werde ich dir sagen, was ich jetzt will.«
»Ich bin nur der Vorsitzende …«, fing Wito an, aber Aldungan schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab und beugte sich so ruckartig zu dem Gnom hinunter, dass der Saum seines langen Gewands über den Boden wischte.
»Lassen wir diesen Unsinn. Ich sage dir jetzt, was ich will. Und du kannst dann sehen, wie du es herbeischaffst. Ob mit deinem Rat oder ohne ihn, ist mir egal. Dieser Darnamur …« Aldungan lächelte. »… wäre wohl in der Lage gewesen, allein alles Notwendige zu tun, nach allem, was man so hört.«
»Hrmm.« Wito räusperte sich erstickt.
»Ich habe keine Lust auf Intrigen und Geschwätz«, fuhr Aldungan fort. »Zu so etwas habe ich mich schon damals nicht herabgelassen, als Magier meines Ranges hier bei Hofe verkehrten. Noch viel weniger werde ich es jetzt tun, da die Geschäfte des Staates von Kriegern und Kaufleuten besorgt werden. Aber ich werde mich auch nicht mit einer Stellung abfinden, die mich einem dieser Emporkömmlinge unterordnet.«
»Wir haben keine …«, setzte Wito an.
»Ihr habt einen Ratsgesandten «, unterbrach Aldungan ihn. »Das wäre ein Anfang. Wenn ich das Heer der Grauen Lande in die Schlacht führe, dann will ich denselben Titel, den ihr Darnamur verliehen habt. Als Feldherr und politischer Würdenträger zugleich. Jedem Soldaten und jedem Amtsträger des Rates zumindest gleichgestellt und mit der alleinigen Befehlsgewalt über mein Heer.«
»Wir können darüber reden«, sagte Wito. »Aber ich weiß nicht, ob der Rat das billigen würde. Ihr müsst verstehen, das Misstrauen …«
»Dem Rat bleibt gar keine andere Wahl, als meine Bedingungen anzunehmen«, sagte Aldungan. »Wie man hört, ist Darnamur aufgebrochen, um den Krieg zu beenden. Aber seither ist nichts weiter geschehen, als dass die Bitaner ihre Aarlinger verloren haben. Ihr Fußvolk marschiert weiterhin auf die Stadt zu. Ich kann sie aufhalten, bevor sie die Mauern erreichen, dafür verbürge ich mich. Aber ohne meine Kraft werden die Grauen Lande untergehen, und all ihre schwachen und erbärmlichen Kreaturen mit dazu.«
Irgendwann, während Wito und Aldungan verhandelten, verabschiedete sich Frafa. Keiner beachtete sie. Sie ging durch die rückwärtige Tür der Kanzlei in das Archiv, das einstmals ein Arbeitszimmer der Fei gewesen war. Von dort aus konnte sie die Tür zum Turm aufschließen und die geheime Kammer mit Leuchmadans Kästchen aufsuchen.
Sie war lange nicht mehr hier gewesen.
Aber der Ort war ihr zur Zuflucht geworden. Hier hatte sie sich vor den Goblins versteckt, und hierher war sie später immer gekommen, wenn sie
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