Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
die Macht spüren, die hinter uns steht. Die Bitaner sind Fremde in unserem Land, und wir kämpfen für unser Heim und für unsere Familien. Wir kämpfen für die Zukunft.
Wenn wir die Bitaner bezwingen, haben wir die Grauen Lande gewonnen. Wir werden sie uns nicht wieder nehmen lassen. Wir werden diese Stadt so gestalten und wiederaufbauen, wie es unserem Willen entspricht, und wir werden keine schlechten Herren und keine Willkür mehr dulden.
A LDUNGAN , DER N ACHTALB ,
IN EINER R EDE VOR SEINEN T RUPPEN
J UNI IM 1. J AHR DER R EVOLUTION – S OMMER IN D AUGAZBURG
Achttausend Gnomenmilizen waren vor der Stadtmauer angetreten, auf dem einstigen Zollmarkt und späteren Schlachtfeld vor dem Tor des Blutes. Das Aufgebot der Menschen zählte etwa ebenso viele Köpfe, und eine Tausendschaft von ihnen trug besonders klobige Speere, mit einem verdickten Ende wie bei einer Keule und mit einer dünneren Spitze darüber. Dieses kleine Korps war in den letzten Monaten gründlich gedrillt worden und sollte Smatras neue Waffen in die Schlacht führen. Der Rest der Menschen war in aller Eile ausgehoben worden und stellte eine abenteuerlich aussehende Ansammlung von Rüstungsteilen und Goblinwaffen zur Schau.
Waffen gab es genug in der Stadt, nach all den Kämpfen und Gemetzeln. Woran es fehlte, das waren die Hände, die sie zu führen vermochten.
Neben den beiden großen Aufgeboten standen kleine schlagkräftige Einheiten von Alben, Vampiren und Vilas. Zum ersten Mal dienten auch mehrere Tausend zierliche Nachtmahre in einem Heer der Grauen Lande. Man hatte ihnen Armbrüste in die Hand gedrückt und ihnen eine kurze Einweisung gegeben, wie sie die Waffen spannen und in die richtige Richtung halten sollten. Hinzu kamen einige Hundert Kobolde, die Aldungan als »technische Brigade« aufgestellt hatte.
Aldungan saß auf einem schwarzen Ross und ritt die Reihen seines Heeres ab. Wito und die anderen Mitglieder des Rats folgten ihm zu Fuß. Auch Smatra war dabei. Er legte seine Hand auf die Ausrüstung, die er selbst gefertigt hatte, und murmelte etwas. Es klang, als wollte er sie verzaubern. Zwischendurch lief der Kobold immer wieder unvermittelt los, stürmte zeternd zwischen die Krieger und schimpfte über Fehler oder nachlässige Handhabung.
»Das ist eine solche Hybris«, knurrte ein Gnom neben Wito. »Die paar Truppen, die wir haben, hätten wir besser in der Stadt beisammengehalten. Auf eine offene Feldschlacht können wir uns nicht einlassen. Dieser stolze Nachtalb führt unsere Kämpfer nur ins Verderben!«
»Wir können die Stadt nicht halten«, widersprach Wito. »Du weißt, was die Bitaner mit unseren Festungen in den Bergen gemacht haben. Eine Bresche, und sie sind drin. Wenn er ihnen entgegenzieht, kann Aldungan zumindest das Schlachtfeld bestimmen.«
Wito hatte selbst Zweifel, was Aldungan betraf – und das in mehr als einer Hinsicht. Aber Darnamur hatte diesen Pakt gewollt, und er war der Misstrauischste von allen. Zumindest darauf konnte Wito sich verlassen: Wenn es einen besseren Weg gegeben hätte, hätte Darnamur diese Zusammenarbeit nie in Erwägung gezogen.
»Aldungan wird kein passenderes Schlachtfeld finden als diese zerklüftete Stadt mit all ihren Mauern und Verstecken«, erwiderte der Gnom beharrlich.
»Passend für euch kleines Volk«, fuhr Tomgar ihn an. »Ihr könnt euch in jeder Ritze verkriechen. Aber wir Menschen müssen dankbar sein für jeden Tag, den dieser Alb die Feinde auf Abstand hält. Umso mehr Bürger können wir in Sicherheit bringen.«
Wito wandte sich zu ihm um. »Ihr bringt Eure Leute aus der Stadt, Tomgar? Ihr unterstützt diese Flucht?«
»Ich werde selbst gehen«, sagte der Führer der Freien Menschen . »Sobald dieses Heer abmarschiert ist. Wenn Aldungan wider Erwarten doch gewinnt, können wir ja wiederkommen.«
Wito schüttelte den Kopf. Was war nur aus Daugazburg geworden? Als die Fei ihn verurteilt hatte, lebten über zweihunderttausend Seelen innerhalb der Mauern. Inzwischen war die Stadt fast entvölkert. Jeder, der eine Waffe halten konnte und auch nur halbwegs dazu bereit war, steckte in diesem Heer – vielleicht zwanzigtausend Kämpfer. Krieger sollten es sein, doch Wito sah keinen großen Unterschied zu den Tausenden, die als Flüchtlinge aus den anderen Toren strömten.
Wie würden die Grauen Lande in Zukunft aussehen? Alben gab es kaum noch. Die Goblins würden wiederkommen. In den Bergen und in der Steppe des Ostens gab es viele. Aber Wito dachte daran,
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