Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
Vom Netzwerk:
kann, träumt man eben davon, sie einfach umzustürzen. Damit das Unten, wo man steht, zum neuen Oben wird.«
    Frafa blickte die Herrin fassungslos an.
    »Und wenn man solche Träume hegt«, fuhr Geliuna fort. »Ist es dann nicht naheliegend, dass man nach Vorbildern sucht, die neue und bisher unbesetzte Positionen versprechen? Das bitanische Akademiensystem, beispielsweise – scheinbar harmlose Forschung, aber mit akademischen Titeln und Räten, aus denen neue Berufe und Meistergrade hervorgehen. Neue, freie und unbesetzte Ränge für junge Nachtalben?«
    Frafa schüttelte den Kopf.
    Geliuna lachte. »Die Freunde des Fortschritts wurden von jungen Nachtalben gegründet«, sagte sie. »Passt das, was ich beschrieben habe, nicht genau zu ihnen?«
    »Es waren Menschen dort«, widersprach Frafa. »Und Gnome und …« Sie hob erschrocken eine Hand zum Mund, als ihr bewusst wurde, wie verräterisch ihre Worte waren.
    »… und allerhand anderes Volk, das sich stets den Nachtalben anschließt. Oder das selbst Grund hat, eine Veränderung zu wünschen.« Geliuna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist ohne Bedeutung. Es gibt viele politische Vereinigungen … Oder es gab sie in den Wirren nach Leuchmadans Sturz, ehe ich sie aufgelöst habe. Aber die Freunde des Fortschritts waren in ihrem Kern eine Vereinigung junger Nachtalben. Und, meine kleine Frafa, denk darüber nach: Wenn du deine Freunde im Lichte meiner Erklärung betrachtest – ergibt ihr Treiben dann nicht mehr Sinn als diese unzusammenhängenden Brocken, die du mir über sie nennen konntest?«
    Ihre dunklen Lippen hoben sich zu einem feinen Lächeln. Sie schaute von ihrem Thron auf Frafa hinab. Frafa wusste nichts mehr zu sagen. Sie hatte Bleidans Vereinigung nie so recht verstanden. Aber Bleidan selbst …
    »Bleidan kann Euch nicht schaden«, murmelte sie. »Ihr könnt ihn dennoch freilassen.«
    »Ja, er bedeutet dir etwas.« Geliuna beugte sich interessiert vor.
    Frafa stieg wieder das Blut ins Gesicht. Sie wollte etwas sagen, aber Geliuna schnitt ihr mit einer Geste das Wort ab.
    »Still. Widersprich mir nicht. Ich verstehe etwas von der Liebe. Beherrsche ich nicht Daugazburg seit tausend Jahren mit dieser Macht?«
    Sie lächelte, als sie sich noch ein wenig weiter zu Frafa hinabbeugte. »Aber denke nach, kleine Frafa. Warum sollte ich Bleidan jetzt für dich freilassen? Wenn ich es recht im Gedächtnis habe, pflegt ihr Nachtalben seltsame Vorstellungen von der Liebe. Ihr stellt eure Gefährten auf die Probe und erwählt diejenigen, die würdig sind. Ich kann verstehen, was du an Bleidan findest – doch was findet Bleidan an dir? Wie willst du ihn für dich gewinnen?«
    Ihre Stimme wurde leise, lockend. »Stell dir vor, ich halte Bleidan dreihundert Jahre in meinem Kerker gefangen. Du kannst in der Zeit lernen und wachsen und mächtig werden. Wenn ich ihn dann freilasse, bist du eine Meisterin und kannst sein Herz gewinnen! Ließe ich ihn aber jetzt gehen, schenkte ich dir nur eine grausame, unerfüllte Liebe. Willst du mich darum bitten?«
    »Dreihundert Jahre …« Eine solche Spanne kam Frafa so endlos vor wie der Tod. Auch wenn Geliuna manches aussprach, was ihr selbst schon durch den Kopf gegangen war, so erschien ihr der Weg der Schwarzen Fei dennoch … unvorstellbar. »Ihr werdet ihn wohl kaum für mich im Kerker behalten«, brachte sie endlich hervor.
    Geliuna zuckte die Achseln. »Warum nicht?«, sagte sie. »Weißt du, Bleidan ist ein gewandter Zauberer und könnte einmal nützlich sein. Aber nicht jetzt. Leuchmadans Rückkehr und sein neuerliches Verschwinden hätten die Grauen Lande beinahe entzweigerissen! Das Volk ist verwirrt. Deshalb liegen all diese neuen Ideen und der Gedanke an Aufruhr in der Luft.
    Jetzt kann ich Bleidan und seine Unruhestifter nicht gebrauchen. Die Grauen Lande benötigen Ordnung. Doch in einem hat er recht: Veränderung ist vonnöten. Aber langsam und zum rechten Augenblick. In dreihundert Jahren habe ich womöglich einen Platz für ihn. Und für dich, wenn du deine Ausbildung beendest und zu mir kommst, wie deine Tante. Dir mag das lang vorkommen. Aber es ist nur Zeit. Sie vergeht von selbst. Kehre zurück in deinen Turm und lerne. Wenn du verstehst, werde ich dich wieder empfangen.«
    Sie winkte Frafa fort, und in deren Kopf schien sich plötzlich etwas zu klären. Es war, als hätte die Aufmerksamkeit der Schwarzen Fei ein spürbares Gewicht, das bisher auf Frafas Gedanken gelastet hatte und plötzlich von

Weitere Kostenlose Bücher