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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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ihnen gewichen war.
    »Ihr spracht von Daugrula, meiner Tante«, sagte sie. »Meine Mutter sandte mich zu ihr, damit ich lerne. Aber Daugrula schickte mich gleich weiter zu Meister Aldungan und fort aus dem Palast. Er ist jetzt mein Herr, und seine Botschaft sollte ich heute übermitteln.«
    »Ah ja.« Geliuna klang gelangweilt. »Es ist überflüssig, dass du mir seine Botschaft überbringst. Er erzählt mir seit Jahrhunderten dasselbe. Richte ihm aus, seine Abgeschiedenheit könnte bald ein Ende finden. Neue Aufgaben sind zu verteilen. Die Versammlung, zu der ich ihn geladen habe, mag seine letzte Gelegenheit sein, mitzureden. Denn wenn er nicht spricht, wenn ich ihn dazu einlade, dann werde ich womöglich nicht zuhören, wenn er ein andermal etwas zu sagen hat.«
    Sie presste die Lippen aufeinander, dass sie ein schmaler Strich in ihrem weißen Antlitz waren. Doch dann wurde ihr Ausdruck wieder weicher. Frafa fühlte erneut einen Abglanz von Geliunas Ausstrahlung. »Dein Meister, Frafa, ist ein spröder alter Knochen. Ein Nachtalb von altem Gemüt. Ich weiß wirklich nicht, warum er meine Gegenwart so sehr meidet. Meine besondere Fertigkeit muss er doch gewiss nicht fürchten, wo er doch kaum empfänglich dafür ist.
    Aber wenn ich dich ansehe, dann weiß ich, wie sehr ich Daugazburg im letzten Jahrtausend in meinem Sinne gewandelt habe. Sei nicht verwirrt, und sei nicht bitter. Richte deine Botschaften aus – und komme irgendwann zurück.«
    Sie lächelte Frafa an, sodass dieser das Herz wieder schneller schlug. Frafa richtete sich zitternd auf, Balgir auf der Schulter. Sie machte tiefe Knickse und entfernte sich rückwärts aus dem Saal. Die spiegelnden Flächen ringsum warfen Geliunas Antlitz zurück. Die Fei auf ihrem Thron wirkte so majestätisch, dass Frafa sich in diesem Moment nichts sehnlicher wünschte, als einen Platz an ihrer Seite zu verdienen.
    Zu Hause berichtete sie Meister Aldungan getreulich, was Geliuna gesagt hatte. Bei dem Teil der Rede, den man als Drohung verstehen konnte, zuckte Aldungan nur die Achseln. Doch als Frafa ihm auch von Geliunas letzten Worten erzählte, da lachte er.
    Frafa schaute ihn überrascht an.
    »Das ist dann wohl die Gelegenheit für eine kleine Lektion«, sagte Aldungan, als er Frafas Verwirrung bemerkte. »Also höre, meine Schülerin: Ironischerweise hat es unser aller Herrin Geliuna auf einem Felde zur Meisterschaft gebracht, welches hierzulande noch geringer geschätzt wird als das meine. Sie vermag es, ein jedes Geschöpf in Liebe und Zuneigung zu sich entflammen zu lassen, jedenfalls in dem Maße, wie dieses Geschöpf zu solchen Gefühlen überhaupt in der Lage ist.«
    »Dann war es Magie!«, hauchte Frafa.
    »Oder eine natürliche Fähigkeit.« Aldungan nickte. »Wer kann das bei den Feien schon unterscheiden? Man sollte meinen, damit käme sie in den Grauen Landen nicht weit. Und doch findet man selbst bei den finstersten Kreaturen meist noch etwas, das ihnen am Herzen liegt – und schon hat Geliuna einen Hebel in der Hand, den sie für sich nutzbar machen kann.
    Dennoch ist die Liebe in den Grauen Landen ein seltenes Gut. Geliuna fiel es stets leichter, Menschen für ihre Zwecke zu verführen, als die Angehörigen jener Völker, die sie eigentlich beherrschen möchte. Daher träumt sie davon, ein Geschlecht von Nachtalben zu schaffen, das empfindsamer ist und leichter der Zuneigung fähig. Viele ihrer Gesetze und Regeln während der letzten tausend Jahre sollten uns in diese Richtung erziehen, jedoch nur, damit sie uns leichter beherrschen kann.«
    Er sah Frafa an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Deine Tante hielt sie in dieser Hinsicht stets für ein Musterbeispiel. Darum wurde Daugrula auch zu ihrer vertrautesten Dienerin. Geliuna war sich ihrer Liebe und Treue so gewiss, dass sie ihr sogar die heikelste aller Missionen übertrug, die Wiederbeschaffung von Leuchmadans Schatz. Aber ich sage dir, Frafa: Der Nachtalb, der jemals Treue und Liebe über seinen eigenen Vorteil stellt, ist noch nicht geboren. Unsere Herrin gibt sich Illusionen hin, wenn sie anderes erhofft.«
    »Aber sie war beeindruckend«, flüsterte Frafa. »Ich weiß nicht …«
    Aldungan schnitt ihr mit einer Bewegung der flachen Hand das Wort ab. »In der Tat. Du kannst es nicht wissen. Du wurdest noch nicht auf die Probe gestellt. Doch im Gegensatz zu Geliuna, die ein wenig zu sehr auf ihre besondere Begabung vertraut, weiß ich heute schon, wie du dich dann entscheiden wirst. Du

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