Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
wirst den greifbaren Vorteil wählen und nicht eine Fantasterei wie die Liebe. Genau wie jeder andere Alb.«
5. K APITEL:
D ER T AG DER M ESSER
Viele in Daugazburg sind der Ansicht, man hätte den Krieg gegen die Bitaner einfach fortführen können. Ich hoffe, hier in unserem Kreise gibt sich niemand dieser Täuschung hin.
Die verbündeten Menschen aus dem Süden hielten einzig Leuchmadan die Treue. Für uns Finstervölker haben sie nicht viel übrig. Auch Goblins und Trolle erkennen nur Leuchmadan als ihren Herrn an. Keiner von uns könnte eine große Zahl von ihnen in Zucht und Ordnung halten.
Wir alle erinnern uns an die Zeit nach Leuchmadans erster Niederlage: Der Feind stand vor den Toren, das Land war verwüstet. Hunger und Zwietracht überall. Was von Leuchmadans Heer übrig war, blieb in der Stadt eingeschlossen. Plünderung und Blutvergießen waren die Folge, alle fielen übereinander her.
Das habe ich diesmal verhindert. Ich löste den Überhang der Truppen auf, bevor er von selbst in Auflösung verfiel. Wir Übrigen müssen nun zusammenhalten und eine kurze unruhige Spanne überstehen. Dann wird es diesmal nicht Jahrhunderte dauern, sondern nur wenige Jahre, bis die Grauen Lande wieder erblühen.
G ELIUNA , DIE S CHWARZE F EI , H ERRIN VON D AUGAZBURG ,
VOR DEN M ÄCHTIGEN DES R EICHES
I M D USTERMOND 40 N LR – W INTER IN D AUGAZBURG
Sie waren ihm schon um Mitternacht aufgefallen, diese Gnome, die sich bei der Kapelle herumtrieben. Der Kustos hatte sie misstrauisch beäugt, und sie waren wieder abgezogen. Als er jetzt aus dem Fenster seines kleinen Kontors schaute, traute er seinen Augen nicht.
Die Gnome waren wieder da, aber nicht allein. Menschliche Diener schleppten unter ihrer Aufsicht Dinge in das geheiligte Gebäude. Er sah Körbe mit Vorräten, Tabletts mit Geschirr, Weinschläuche und sogar Fässer, die von den Domestiken in seine Kapelle gerollt wurden!
Der Kustos fasste sich ans Herz und stand einen Augenblick da wie erstarrt. Es war ihm zutiefst zuwider, diese niederen Geschöpfe ansprechen zu müssen. Aber die Gnome trugen Waffen, und wenn ihn nicht alles täuschte, so zählten sie zur geheimen Polizei. Er würde die Goblinwachen vermutlich nicht dazu bewegen können, sie von seinem Hof zu schaffen. Er musste sich selbst darum kümmern.
Der Alb eilte nach draußen. »Was treibt ihr da? Welche Entweihung!«, rief er. Er wedelte mit den Armen und verstellte ihnen den Weg. Doch die Gnome beachteten ihn gar nicht. Als die Menschen verwirrt stehen blieben, trieben die Gnome sie wieder an. Wie emsige Bienen beschrieben die Dienstboten einfach einen Bogen und schleppten Tischtücher, Kristallgläser und einen Kasten mit Leinenservietten um den Kustos herum.
Die Kapelle war ein Gebäude aus Holz. Sie stand auf einem alten und tiefen Innenhof der Zitadelle, der ringsum von hohen Wällen umschlossen war. Sie war alt, sehr alt, und womöglich konnte man sie als das Samenkorn ansehen, aus dem die ganze Stadt erwachsen war. Seitdem sie erbaut worden war, hatte sich Daugazburg beständig um sie herum ausgebreitet. Das Gebäude bestand aus einem einzigen großen Raum mit einem spitzen Giebeldach und einigen kleinen Anbauten, die als Lager oder als Rückzugsnischen für Diener genutzt wurden.
Der Palast hatte inzwischen viele Hallen aus Stein, die größer und weit zweckmäßiger waren. Die Kapelle wurde kaum noch genutzt. Es war eine Reliquie, ein Zeugnis Leuchmadans. Der Kustos war der Einzige, der regelmäßig hier arbeitete und in einem der Anbauten lebte. Seit Jahrhunderten war er für dieses Kleinod verantwortlich.
Ein Gnom trat auf ihn zu. Es war Ganoch, der Hauptmann der geheimen Gnomenpolizei. Der Kustos atmete tief durch. Beim Anblick des bekannten Gesichts fühlte er sich erleichtert und beunruhigt zugleich.
»Ganoch«, tadelte er. »Was soll dieses … dieser … diese Ruchlosigkeit?«
Ganoch zuckte gleichmütig die Achseln. »Wir bereiten die Kapelle vor.«
»Was …« Der Kustos rang nach Atem. Er zog ein Tuch aus seinem schwarzsamtenen Gewand und fächelte sich damit Luft zu. »Was macht ihr euch an diesem einzigartigen Vermächtnis unseres Herrn zu schaffen? Es untersteht meiner Obhut!«
»Nach Sonnenaufgang wird es einen Empfang darin geben. Für hochgestellte Gäste. Würdenträger der Fei, womöglich sogar die Fürsten, mit denen sie zu Rate sitzt. Wir bereiten hier alles vor.«
»Was habt ihr damit zu schaffen? Warum wurde mir nichts davon gesagt? Das ist eine
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