Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
durch das Fenster einfiel, wurde schon matt. Überall an den Fassaden krochen Schatten empor, während die Sonne allmählich hinter den Wällen verschwand. Die Tür zur Kanzlei wurde mit Schwung aufgestoßen und krachte gegen die Wand dahinter. Ein schwer gerüsteter Goblin stürmte herein, schnaubend und mit gefletschten Zähnen.
Sein goldener Panzer mit dem Fledermausemblem saß schief und nachlässig gegurtet vor der Brust. Er hielt Schild und Speer in der Linken und hatte die Rechte zur Faust geballt.
»Darnamur!«, brüllte er und blieb abrupt vor dem Schreibpult stehen.
Hinter dem Goblin sah Darnamur Dranjars Holzröhrchen durch die Luft fliegen, von der Türe angestoßen. Es prallte gegen die Wand, fiel wieder zu Boden, kullerte und kreiselte, bis es schließlich liegen blieb.
Im nächsten Augenblick erschien Dranjar. Er hielt keine Waffe in der Hand, und sein Gesicht war blass. Der Goblin schaute sich überrascht um und verfolgte, wie der Gnom einige Schritte durch den Raum torkelte, in einer Ecke in die Knie brach und sich würgend übergab.
»Großartig«, kommentierte Darnamur. »Werzaz, kannst du mir vielleicht zwei von deinen Wachen vor die Tür stellen? Ein wenig mehr Rückendeckung wäre nicht schlecht.«
»Was?« Der Goblin wandte sich wieder Darnamur zu und schnaubte. »Warum sollte ich dir eine Wache abstellen, du lächerlicher Flohhauptmann? Was soll dieses Schauspiel? Und was bedeutet … das hier?«
Er schleuderte ein zerknülltes und eingerissenes Blatt auf den Tisch.
Darnamur lächelte. »Hast du niemanden gefunden, der es dir vorliest? Ich habe darin geschrieben …«
Werzaz hieb mit der Faust auf den Tisch, dass auf Darnamurs Seite eine Schublade herausflog. »Ich weiß verdammt genau, was darin steht. Und als die Grünfratze etwas von einem ›Gnom‹ erzählt hat, wusste ich auch gleich, dass nur du hinter dieser hirnverbrannten Sauerei stecken kannst. Aber was soll das?«
»Warum?«, fragte Darnamur unschuldig. »Gefallen dir die Befehle nicht?«
»Es gefällt mir nicht, welcher Kötel diese Befehle ausgegeben hat!«
Darnamur holte Leuchmadans Kästchen aus einer Schublade. Er rückte den Stuhl vom Pult ab, legte das silberne Behältnis auf seinen Schoß und verschränkte die Hände darüber.
»Nun«, sagte er. »Die Fei ist heute leider von uns gegangen. Irgendjemand muss die Befehle geben, sonst gehen sich hier in Daugazburg bald alle gegenseitig an die Kehle.«
Werzaz schaute den lächelnden Gnom an. Er packte das Schreiben wieder und ballte die Hand zur Faust. »Du Rattengesicht willst doch, dass wir ganz Daugazburg an die Kehle springen!«
Darnamurs Lächeln wurde breiter. »Ich dachte mir, das würde den Goblins gefallen«, meinte er. »Ich bin ein milder Herrscher. Ich gebe gern Befehle aus, die meine Untertanen glücklich machen.«
Werzaz zog die Nase hoch und rotzte Darnamur mitten auf den Schreibtisch. »Untertanen! Pah. Wenn sich rumspricht, dass hier ein zottelköpfiger Gnom sitzt und die Siegel aufdrückt, ist Schluss mit der Herrschaft. Oder glaubst du, ein Goblin ließe sich von so einem Popel was befehlen, was er nicht tun will?«
»Dann fallen mir hoffentlich noch viele Befehle ein, die Goblins Freude machen.« Darnamur nickte in Richtung des Papierstapels. »Wenn mir die Ideen ausgehen, frag ich dich um Rat.«
»Ich zieh jedenfalls nicht gegen meine Brüder, nur weil ein Gnom mir das sagt.«
»Deshalb hab ich das von dir auch nicht verlangt«, sagte Darnamur. »Dich hatte ich um einen anderen Gefallen gebeten, Werzaz. Hauptmann Salvan und seine Vampire. Du kümmerst dich um sie, bevor sie merken, was hier vorgeht?«
»Aye«, sagte Werzaz. Er schüttelte den Kopf. »Aber ich tu das nicht, weil du es befohlen hast. Ich tu das, weil Salvan und seine Politischen mir ein Furunkel am Arsch waren, seit die Fei sie in den Palast geholt hat. Er hat meine Goblins rumkommandiert, als wär die Garde seine eigene Truppe! Dieser Pomadenscheißer setzt sich hier nicht auf den Thron.«
»Gut«, sagte Darnamur. Er wies auf das Schreiben in Werzaz’ Hand. »Ich habe dir alles aufgeschrieben. Du musst die politische Polizei an zwei Orten gleichzeitig erwischen: hier im Palast, wenn die Alben ihren Dienst antreten; und einen großen Teil der Vampirgarde findest du im Haus der Schreie, wo sie die gefangenen Fürsten bewachen.«
»Erzähl du mir nicht, wie ich meine Arbeit mache, Sterzkopf. Wir Goblins stechen nicht nur tückisch einzelne Feinde ab wie ihr Gnome. Wir
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