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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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schon mehr als eine Armlänge entfernt. Die Echse wandte sich nicht nach ihr um. Unten auf der Straße stürmten soeben die letzten Goblins durch die zertrümmerte Eingangstür und verschwanden im Turm.
    Im selben Augenblick barst in einem tieferen Stockwerk ein weiteres Fenster. Blaues Zauberfeuer schoss aus dem Gebäude, knisternd und zischend. Ein brennender Nachtalb wurde mit der Lohe herausgeschleudert und stürzte auf die Straße. Frafa konnte nicht erkennen, wer es war. Sie hörte die Schmerzensschreie der Goblins, die der Alb mit seinem letzten Zauber getroffen hatte. Balgir verschwand um die Ecke des Turmes und war nicht mehr zu sehen.
    Frafa beugte sich so weit aus dem Fenster, wie sie es wagte. Sie konnte ein Stück der Hochstraße erkennen, die vom Turm fortführte. Zwei Alben liefen zum Turm gegenüber – einigen war also auf diesem Wege die Flucht geglückt. Goblins waren ihnen dicht auf den Fersen. Weitere Goblins kamen wieder aus der unteren Tür heraus. Sie schleppten eine schreiende Albe auf den Schultern fort und trampelten dabei über den Gestürzten hinweg, der mit schwelendem Gewand auf dem Pflaster lag. Dann wurde es ruhiger auf der Straße, aber der Tumult im Turm rückte näher.
    Schwere Stiefel polterten durch den Treppenaufgang. Frafa lief auf den Flur. Niemand war zu sehen. Aber die Rufe und Flüche der Goblins auf der Treppe wurden lauter. Der Weg zum Dach hinauf war womöglich noch frei, aber Hilfe fände sie dort so wenig wie hier.
    Frafa legte die Hände auf die Tür zum Treppenhaus und atmete tief durch. Sie ordnete ihre rasenden Gedanken, ließ ihre Essenz in das Holz strömen. Knarrend verzogen sich die Bretter. Mit der Macht ihres Geistes verschob Frafa die Fasern des Holzes, verdrillte sie und webte eine festere, eine makellose Struktur daraus. Das Holz dehnte sich, schob sich mit einem Ächzen gegen den Rahmen und quoll ein Stück darüber hinaus. Die Tür war blockiert.
    Der versperrte Zugang zum Treppenaufgang verschaffte ihr Zeit, aber die Goblins konnten ihn natürlich mit Gewalt aufbrechen. Und sie wussten, dass Frafa hier war; immerhin hatten sie ihr Gesicht am Fenster gesehen. Sie rannte in Bleidans Arbeitsraum zurück und blickte sich um.
    Frafas Blick wanderte zu den Käfigen. Konnte sie die Tiere herauslassen und auf die Angreifer hetzen? Aber die Tiere waren wie toll. Es würde schwer sein, den aufgewühlten Geist dieser Kreaturen zu beruhigen. Sie würde sie dazu vermutlich berühren müssen.
    Nein. Sie hatte keine Aussicht, diese Tiere in den Kampf zu lenken. Wenn sie die giftigeren und gefährlichen Geschöpfe freiließ, würde sie selbst ihnen als Erste zum Opfer fallen.
    Frafa rannte im Zimmer auf und ab. Sie brauchte eine Idee!
    Hektisch durchsuchte sie die Gläser und Tiegel und Schalen und Dosen, die Bleidan auf seinen Regalen verwahrte. Mit vielen Dingen dort konnte sie überhaupt nichts anfangen, und das, was sie einordnen konnte, schien ihr nutzlos. Kurz sah sie vor ihrem inneren Auge, wie sie die hereinstürmenden Goblins mit Ton- und Glasbehältern bewarf, wie die Gefäße zerplatzten, magischer Staub in die Luft stieg, sich vermischte, ein Ungeheuer formte, das ihre Feinde zerriss …
    Nein. Fantasiegebilde würden sie nicht retten. Ihre Zeit lief ab.
    Die Goblins schlugen gegen die Tür, die Frafa gerade gehärtet und verkeilt hatte. Erst einige dumpfe Schläge, Tritte. Dann krachten Klingen gegen das Holz. Frafa sammelte sich ein letztes Mal und blockierte auch die Zimmertür. Ein zusätzlicher Aufschub.
    Sie wich so weit wie möglich zurück, starrte angsterfüllt zur Tür.
    Da hörte sie hinter sich ein leises Geräusch am Fenster. Frafa fuhr herum.
    Balgir kletterte wieder in den Raum. Er trug ein langes, zusammengerolltes Seil im Maul.
    Als Magati durch das Pidon-Tor trat und die Vorstadt erreichte, atmete sie auf. Die Bedrückung, die sie während des ganzen Weges durch die Oberstadt verspürt hatte, fiel von ihr ab. Das lag nicht nur an den Häusern, die in der Vorstadt viel niedriger waren, ohne dräuende Türme und mit geraden, übersichtlichen Straßen. Es lag vielmehr an den Bewohnern.
    Die Vorstadt gehörte den Menschen. Nachtalben und Goblins sah man hier selten, und das hatte sich seit der Revolution nicht geändert. Die Vorstadt war wie eine Insel im milden Mondlicht, inmitten eines brodelnden, sturmverhangenen Ozeans.
    Die Stimmung hier war geradezu erfrischend. Es war kalt, aber trocken. Viele Menschen hielten sich in diesen frühen

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