Der Tag der Rache. Private Berlin
es keinen Professor Dr. Gröning. Auch niemanden, der so ähnlich heißt.«
»D as habe ich auch gar nicht erwartet«, erwiderte Gabriel.
Katharina Doruk beendete ebenfalls ihr Telefonat. »D as war Brecht. Sie waren noch mal im Nachtclub. Dort hieß es, Maxim Pavel sei seit gestern nicht mehr gesehen worden.«
»D ann kennen wir also weder den Verbleib von Hermann Krüger noch den von diesem Pavel?«
»O ffenbar«, antwortete Katharina.
Auf dem Bildschirm lief das Video an. Ernst Gabriel vergrößerte die Aufnahme. Im Lesesaal bemühte sich Gröning, seinen Hut ständig tief ins Gesicht gezogen zu halten. Doch sie sahen, dass er sechs Akten aus den Waisenhaus-44-Unterlagen klaute.
»E r ist sehr schlau und mit den Händen flink wie ein Zauberer«, merkte Gabriel an.
Mattie nickte. »V ergrößere mal die Aktentasche.«
»S ie sieht nach altem Krokodilleder aus«, sagte Gabriel.
Mattie dachte, die Aufnahme an der Pforte müsste besser sein. Doch sowohl beim Betreten als auch beim Verlassen des Archivs zitterte der angebliche Professor am ganzen Körper, so dass er nur verzerrt zu sehen war. Zudem hing die Kamera am Pförtnerhäuschen in der oberen rechten Ecke und gestattete keinen Blick auf Professor Grönings Gesicht.
»E h, seht mal, wie ich ihm hinterhergucke«, rief Mattie, als sie auf dem Bildschirm erschien. »I ch hatte bei ihm so ein komisches Gefühl, aber ich habe es unterdrückt, weil er mich an meine Mutter erinnerte und ich Mitleid mit ihm hatte.«
»W oher hättest du das auch wissen sollen?«, tröstete Katharina sie.
Katharina hatte selbstverständlich recht, doch Matties ungutes Gefühl blieb. War dies der Mann, der Chris getötet hatte? War er Krüger, der sich nur verkleidet hatte? Oder Pavel?
Pavel besaß einen Nachtclub für Transvestiten und wusste mit Sicherheit, wie man sich schminkte. Und Krüger? Ein Milliardär würde jemanden dafür bezahlen, ihn zu verkleiden. Oder er bezahlte jemanden, der für ihn die Unterlagen klaute. Aus diesen Gedanken wurde sie gerissen, als Katharinas Telefon klingelte.
»W as?«, rief Katharina und schaltete den Lautsprecher ihres Telefons ein.
»E r hat es getan!«, schrie Rudi Krüger über die Stimmen im Hintergrund hinweg. »E r hat meine Mutter umgebracht!«
»J etzt mal langsam, Rudi«, beruhigte Katharina ihn.
»S ie ist tot«, fuhr er mit zitternder Stimme fort. »D ie Polizei hat mich gerade angerufen. Meine Mutter wurde in der Nähe ihres Hauses im Auto erschossen. Es muss Hermann gewesen sein. Das weiß ich. Entweder er selbst, oder er hat sie umbringen lassen. Dieses verdammte Kapitalistenschwein! Er…« Rudi begann beinahe zu weinen. »O Gott. Er… ich habe ihr gesagt…«
»R udi, ich weiß, das ist hart. Holen Sie erst mal tief Luft. Wo sind Sie?«
»I ch war gerade auf einer Versammlung. Wir haben gegen Unternehmerschweine wie meinen Stiefvater protestiert, die versuchen, das Tacheles abzureißen und auf dem Grundstück ein Hochhaus zu bauen. Die Polizei will, dass ich meine Mutter identifiziere.«
»W ir sind in zehn Minuten da.«
50
Hauptkommissar Hans Dietrich war bereits am Tatort, als Mattie und Katharina eintrafen. Er stand grimmig, abgespannt und noch gebeugter als sonst an der offenen Tür des schwarzen Porsche Cayenne im Regen.
Mattie rief Sandra Weigel, die hinter dem Absperrband stand.
»W as tun Sie hier?«, fragte diese.
»A gnes Krüger war Chris Schneiders Mandantin«, erklärte Mattie. »D ietrich weiß das.«
Wütend sah Weigel zu ihrem Vorgesetzten hinüber. »D er Kerl sagt mir nichts. Er ignoriert mich komplett. Aber ihm geht viel durch den Kopf. Sein Vater ist gestern Abend im Treptower Park an einem Herzinfarkt gestorben. Er hat ihn gefunden.«
»D as ist furchtbar«, sagte Mattie.
»U nd jetzt arbeitet er schon wieder?«, wunderte sich Katharina.
»S oweit ich weiß, ist Arbeit das Einzige, was Dietrich hat«, erwiderte Sandra Weigel.
Das wollte Mattie gerade bestätigen, weil auch sie dies bereits gehört hatte, wurde aber von Rudi Krüger unterbrochen. »W o ist sie?«, rief er.
Er war gerade aus einem Taxi ausgestiegen und eilte auf sie zu. Als er den demolierten Porsche sah, ging er langsamer. »O h, Gott«, stöhnte er. »W as hat er ihr angetan?« Auf Mattie wirkte er nicht mehr wie der arrogante Künstler und Anarchist, sondern wie ein Sohn, der seine Mutter verloren hat. Tränen traten in seine Augen, und er rieb sich kräftig über die Wangen. »W as hat er getan? Was hat er mit ihr
Weitere Kostenlose Bücher