Der Tag der Rache. Private Berlin
sich ausgeruht.
Doch dann fiel ihr Hauptkommissar Dietrich ein. Warum war er so besessen davon, Hermann Krüger zu jagen? Bekam er Druck von oben, weil die Krügers eine reiche Familie waren? Oder versuchte er wegen seiner Trauer einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen zu gehen, um nicht zu fallen?
Statt noch weiter zu graben, duschte sie rasch, zog sich an und ging in die Küche, wo Niklas am Frühstückstisch saß. Auch er war bereits angezogen, vor sich einen leeren Teller und ein Saftglas.
Tante Cäcilia war nirgends zu sehen. Dafür stand Tom am Herd und rührte mit einem Holzlöffel in einer gusseisernen Pfanne.
»E r macht seine Spezialität«, schwärmte Niklas. »E ier Burkhart.«
»D ie einzig wahren«, klärte Tom sie auf. »M öchtest du noch was?«
»I ch muss zur Schule«, lehnte Niklas ab.
»M attie?«
»W enn ich zurück bin«, antwortete sie. »I ch bringe ihn hin.«
Draußen war es kalt und stürmisch, so dass Niklas seine Hände in die Taschen stecken musste, statt an der Hand seiner Mutter zu gehen. »I ch mag Tom«, sagte er. »E r behandelt einen nicht wie ein Kind.«
»A ch ja?«
»E r hat gesagt, ich wüsste mehr über Fußball als die meisten Erwachsenen.«
»N a, das stimmt ja auch.« Mattie fuhr ihm durch das Haar.
»M ama«, stöhnte Niklas. »I ch habe sie gerade erst gekämmt.«
»F ür wen? Für mich? Oder gibt es eine andere Frau in deinem Leben?«
Niklas wirkte leicht schockiert, sagte aber nichts.
»F reunde?«, fragte Mattie.
Niklas zuckte nur mit den Schultern und nickte. »W as stimmt mit Frau Frei nicht?«, wollte er wissen.
Sie hatten die Schule beinahe erreicht. Mattie blieb stehen und überlegte, was sie antworten sollte. »S ie hat ein hartes, schwieriges Leben hinter sich, eins, wie ich es mir nicht vorstellen kann. Menschen wie sie können empfindlich sein. Leicht zu brechen.«
»I st sie deswegen bei uns?«, drängte er.
»J a«, antwortete Mattie. »U nd weil sie in ihrer Kindheit mit Chris befreundet war, ebenso wie ihre Schwester.«
Sie erreichten die Straße, in der Niklas’ Schule lag. »I ch kann jetzt alleine weitergehen«, sagte er. »O kay?«
Mattie sah von dort, wo sie standen, den Eingang zur Schule und die hineinströmenden Kinder. Dennoch zögerte sie einen Moment, bevor sie dachte, dass sie ihn langsam und in kleinen Schritten in seine Freiheit entlassen musste.
»O kay«, stimmte sie zu. »U nd…«
»… Tante Cäcilia wird mich nach der Schule hier abholen«, vollendete er den Satz mit leichtem Groll. »B ist du sicher, dass ich nicht alleine nach Hause gehen kann?«
Sie nickte. »V ielleicht nächstes Jahr.«
»O h«, stöhnte Niklas. »D a bin ich ja schon zehn.«
»G enau. Bist mein Schatz, Niklas.«
Er zog einen Schmollmund. »B ist auch mein Schatz.«
Mattie blickte ihrem Sohn hinterher, bis er in der Schule verschwunden war, hatte aber das komische Gefühl, als würde jemand sie beobachten. Sie sah sich um… doch… da war niemand.
95
Das Gefühl, heimlich beobachtet zu werden, hatte bereits nachgelassen, als Mattie mit den Zeitungen unter dem Arm nach Hause zurückkehrte, wo Tante Cäcilia und Ilona Frei die Reste von ihren Eiern Burkhart verspeisten.
»D as schmeckt sehr lecker«, lobte Tante Cäcilia. »D as Rezept muss ich unbedingt haben.«
Ilona lächelte sie nervös an und kratzte sich die Handgelenke.
»D as ist für dich«, sagte Tom und stellte einen Teller mit Toast vor Mattie.
»D anke.« Sie warf die Zeitungen auf den Tisch hinter sich und probierte Toms Eierschmaus. »W as ist da drin?«, wollte sie wissen. »S peck und…«
»… und jedes Mal was anderes«, unterbrach Tom sie. »W ie bei der Steinsuppe.«
»I ch muss bald in die Klinik«, meldete sich Ilona Frei besorgt zu Wort.
»S obald ich fertig bin«, versprach Mattie und sah Tom an. »I lona und ich fahren bei ihr zu Hause vorbei, damit sie sich ein paar Sachen holen kann.«
»U nd ich?«
»D u wirst nach Beweisen für Falks Existenz suchen.«
»W o soll ich das tun?«
»F ang in Ahrensfelde an, dann mach in den Spezialarchiven weiter«, schlug sie vor. »D ie befinden sich hier in Berlin.«
»I ch weiß, wo die sich befinden«, erwiderte Tom. »A ber glaubst du nicht, dass die Geschichte ans Tageslicht gekommen wäre, wenn Falk im Schlachthaus sein Unwesen getrieben hätte?«
»W ir suchen nur nach seinem Namen und einer Verbindung zum Schlachthaus«, erklärte Mattie. »N ach einem greifbaren Beweis, dass es Falk tatsächlich
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