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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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einmal an, zur Abwechslung mit durchaus deutlichen Worten. Dann leerte sich mein Kopf schlagartig, und ich betupfte nur die Nasengegend mit dem Papierbausch und versuchte mit der anderen Hand die Sachen vom Tisch in die Handtasche zu raffen, die trübsinnig verschrumpelt auf meinen Knien lag wie eine schimmelnde Frucht, die in der Obstschale vergessen worden war. Und wie ich das alles so der Reihe nach durchführte, flutschte mir plötzlicheine Natursendung von vor ein paar Samstagen in den Sinn, darin war ein Vogel namens Stummelflagger vorgekommen, so ein cleverer kleiner Trippler, der irgendwie unnatürlich oder zumindest wie von Menschenhand gemacht aussah, sein schwarzes Federkleid war mit allen möglichen grellen Broschen, Troddeln, Rüschen und Hautlappen gespickt gewesen, und er balzte unaussprechlich einsam irgendwo tief im Regenwald vor sich hin, stellte kollernd all seine Auswüchse und Einzelteile zur Schau und fegte mit einem belaubten Zweig im Schnabel den Waldboden, und all das zusammen war offenbar das Stummelflaggen. Er machte den Wald sauber! Schon damals vorm Fernseher hatte ich mich schwer entscheiden können, ob ich weinen oder lachen sollte, und auch jetzt war es schwierig, ich konnte einfach nicht mehr den Mund halten, sondern musste Irja lautstark von der Kreatur erzählen, von ihrem komischen Aussehen, von dem energischen Getrippel, von den Farben, die an einen Bonbonladen denken ließen oder an eine übereifrige Werbeagentur mitten in der Natur.
    Sie hörte brav zu, die Irja, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass mein Vortrag wirr, umständlich, aufgedreht und überlang geraten war. Als ich schließlich dazu kam, mich über den Waldfegeteil zu echauffieren, sah sie mich einen Moment lang so an, als wäre sie auf der Hut, so wie man einen potenziellen Geisteskranken ansieht, aber dann fing sie auch schon an zu lachen.
    Ich musste ebenfalls lachen, obwohl es wehtat, hauptsächlich brachte es mich zum Lachen und erleichterte es mich, dass Irja lachen musste, und so lachten wir dann, eigentlich war schwer zu sagen, worüber, und als wir dann kurz durchgeatmethatten, ging es wie von selbst weiter, das Gespräch. Eine Braut für ihn ist nicht aufgetaucht, Natürlich nicht, Jedenfalls nicht so lange die Sendung gedauert hat, Ja, Aber vielleicht später das kann man ja nicht wissen, Hoffentlich, Ja, Die sind manchmal furchtbar anzuschauen, Was, Na diese Sendungen, Stimmt allerdings, Immer geht es einer Kreatur an den Kragen, Ach das ist grässlich, Wird von einem Raubtier gefressen oder ist eben in so einem Zustand, In so einem Zustand, Na so einsam eben, Stimmt, Was war das noch, Was denn, Na das Flaggen oder was der machte, Das Stummelflaggen, Meine Güte, Das kannst du laut sagen, Es kommen einem ja schon die Tränen wenn man nur das Wort hört, Und ich weiß nicht mal ob es ein Männchen oder ein Weibchen war, Ja, Oder müsste man sagen Hahn oder Henne, Eben, Weil es ja ein Vogel ist.
    Irja schwieg eine Weile, dann sagte sie lediglich: »So, so.« Dann war plötzlich ein anderer Ausdruck in ihren Augen aufgetaucht, sie blickten weit in die Ferne, gleichzeitig nach innen und nach außen, über Bäume und Häuser und Gegenwart hinaus. Draußen war der Hausmeister inzwischen bis zum Unterstand für die Mülltonnen vorgedrungen. Hinter der grauen Bretterkonstruktion stoben gelbe Blätter auf wie ein lautloser Schrei.
    »Wie fühlt sich die Nase an?«, wollte Irja dann wissen.
    Ich antwortete, den Umständen entsprechend gut, und geriet auf der Stelle wieder in mannigfaltige und undeutliche Bitten um Entschuldigung, die ein ganzes Bündel von Anlässen betrafen, aber in erster Linie natürlich die Kollision von vorhin. Irja hörte zunächst geduldig zu, sagte dann aber: »So ein Quatsch, ich hab dir doch die Tür gegen die Nase geschlagen«,und da musste ich sie natürlich stoppen und quieken: »Neeiiin, auf keinen Fall, Irja, nicht du hast mich durch den Briefschlitz gezerrt, sondern ich hab selbst wie blöd versucht, das Päckchen durchzustopfen.« Da ging sie dann sofort dazu über, sich um das Päckchen Sorgen zu machen, ich hätte es nicht erwähnen sollen, es wurde mir alles immer nur peinlicher, Irja war schon drauf und dran, in den Flur zu gehen, um es zu holen, aber ich hielt sie auf, lamentierte, es sei bestimmt kaputt oder im Eimer oder so, und für den Augenblick gab Irja sich damit zufrieden und sagte: »Wir können es uns ja später ansehen, jetzt trinken wir erst mal Kaffee und

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