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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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aussah, beim Zählen meiner Münzen unbeteiligt: »Wissen Sie, was der Tag der roten Nase ist?« Ich verneinte tonlos. Sie blickte von der Kasse auf und glotzte mir kurz perplex mitten ins Gesicht, wurde rot und sah irgendwie so aus, als hätte sie gerade etwas viel zu Saures oder Scharfes oder sonstwie Starkes schlucken müssen. Und ich sah, wie sie das unbändige Bedürfnis überkam, um Entschuldigung zu bitten, aber so etwas tut man nicht, das versteht auch ein junger Mensch, mit Worten ändert man nichts,was ja doch beide sehen und wissen, und ich konnte ihr unmöglich helfen, da ich keine Vorstellung von diesem verflixten Tag der roten Nase hatte, ich wusste nur, dass meine Nase schlimm aussah und dass sie wehtat und dass ich auch sonst am Boden war.
    Da blieb nicht mehr zu tun, als gequälte Danke-und-auf-Wiedersehns zu wechseln und sich durch die Warteschlange in den Regen hinaus zu verdrücken.

III

Zwei Wochen vergingen, dann wurde es richtig ernst. Es gab allerhand an Wetter, Sonne, Wind, Regen, Schneeregen und Nebel, der sich dermaßen in den Hof zwängte, dass einem sogar die Wohnung vollgestopft erschien. Es gab das Herumsitzen zu Hause, die Ausflüge in Geschäfte und auf den Markt, den Nasenschmerz, den Verdruss über die hartnäckig geschwollene und immer düsterere Farben annehmende Nase. Es gab den Tag der roten Nase, der in Geschäften und Kiosken, in Radio und Fernsehen angekündigt wurde, aus dem ich aber immer noch nicht schlau geworden war.
    Es kamen sorgenschwere Tage, an denen ich nur an die Unannehmlichkeiten in Kerava dachte, an den schrecklich verunglückten Besuch bei Hätilä und vor allem natürlich an Irja und ihre Familie, ich fragte mich, wie sie wohl zurechtkamen, ob die Lage womöglich völlig verfahren war. Ich hatte mit Irja ein paar SMS getauscht, in denen die heiklen Themen jedoch nicht einmal gestreift wurden, weder die Beurlaubung noch die Nase, vom Wetter war die Rede, und dieses Thema löste bei mir einerseits zwar Erleichterung, andererseits aber auch noch mehr Sorgen aus.
    Mit dieser grauenhaften Nase hätte ich ins Krankenhaus oder wenigstens zu irgendeiner Gesundheitsschwester gehen müssen. Ich ging nicht hin, weil sie allem Anschein nach nicht gebrochen war. Ich dachte, mit alten Hausmitteln wird sieschon wieder abschwellen, mit kalten Teebeuteln und emsigem Kaffeetrinken. Dann kam der Tag der roten Nase. Meine Nase stand noch immer in Flammen, und im Radio wurde vom frühen Morgen an dieser verfluchte Nasentag angepriesen, in einem Ausmaß, dass man gar nicht umhinkonnte, wenigstens ungefähr zu kapieren, worum es sich handelte, nämlich um etwas Wohltätiges, ich verstand bloß nicht, um was genau; ich hätte mich ja gern daran beteiligt, aber nirgends wurde präzisiert, wem oder was auf diese Art denn nun geholfen wurde. Ich war auch nicht die Richtige, um es herauszufinden, ich begnügte mich mit schlaffem, stumpfem Unmut, dachte, nun ist der gute alte Hungertag durch diesen verdammten Nasentag ersetzt worden, so ist das heutzutage, nicht mal das Wort Hunger darf man mehr in den Mund nehmen, alles muss immer mit Spaß zu tun haben.
    Und als ich alle Schwefelgedanken gedacht hatte, schämte ich mich nur noch. Aber es war schwierig, etwas zu tun, ganz zu schweigen davon, dass es die reinste Selbstfolter gewesen wäre, wenn ich mir eine Clownsnase über den ramponierten Zinken gestülpt hätte, wie es die Gesundnasigen hier und da zu tun schienen. Immerhin hatte jemand in einem früheren Leben mein Riechorgan mal als aristokratisch bezeichnet.
    Auch wenn ich mich für noch so krankschreibungsbedürftig hielt, fuhr ich doch einmal nach Kerava. Ich machte mir Sorgen um die Jokipaltios, ich dachte, ich fahr einfach mal hin, um Irja aufzumuntern. Im Treppenhaus überkam mich dann die Hemmung, ich hatte das Gefühl, auf keinen Fall unangemeldet hineinplatzen zu können, es konnte bei ihnen ja Gott weiß was im Schwange sein, und womöglich war Irja einkaufen oder sonstwo und nur ihr Mann daheim – bei dem konnteman nicht wissen, der konnte vielleicht unfreundlich sein. Trotzdem wollte ich wenigstens eine Spur meines Besuchs hinterlassen, ich weiß nicht, warum, irgendwie hatte ich das Gefühl, Irja mitteilen zu wollen, dass sie nicht allein war, dass es auf der Welt noch Mitgefühl gab. In meiner Handtasche fand ich nichts, was auch nur annähernd geeignet gewesen wäre, außer einer alten, an den Ecken schon etwas mürbe gewordenen Postkarte, mein Sohn hatte sie mir im

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