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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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erzählte mir tatsächlich etwas, hauptsächlich Lügen, schien mir, aber ich hatte keine Lust, sie zu durchleuchten. Ich hörte mir die ganze wirre, irgendwie unangenehm detaillierte und deshalb durchdacht klingende Story an, von diversen Quartierwechseln, zwei Freundinnen, von denen keine bereit war, sich fest zu binden, von Arbeit, die es angeblich so reichlich und in verschiedenen Bereichen gab, dass er sie kaum schaffte. Auch von zwei Freunden gab es einiges zu berichten, allem Anschein nach waren sie ganz groß im Organisieren, aber als mein Sohn dann dazu überging, all deren wahnsinnig tolle Systeme, wie er es ausdrückte, aufzuzählen, verfiel ich in taubstummes Glotzen, bei dem ich mich quasi langsam entfernte. Zuerst schaute ich auf die in der Hofecke in ihrem Brettergefängnis zitternde Geranie und glitt dann plötzlich in gedankliche Landschaftsbildung ab, zur Töölö-Bucht und über ihre wie maschinengebohnert wirkende Wasserfläche, zur Bahnlinie und dieser entlang nach Malmi, Korso und Kerava; und als ich schließlich dort ankam, rieselte so viel Schmerzliches ins Bild, dass ich mich mit einem Ruck wieder in die wirkliche Welt zurückbegeben musste, wo mein Sohnimmer noch mit seiner inzwischen zum Nuscheln erschlafften Erklärung beschäftigt war.
    »Mein Kumpel meint auch, es wäre furchtbare Verschwendung, so ein gutes Fahrzeug zu entsorgen, der Austauschmotor und die Reifen sind auch noch ganz okay.«
    »Was? Wer?«
    Mein Sohn sah mich müde an und sagte: »Komm, wir gehen uns jetzt das Auto angucken.« Dann setzte er sich die Mütze auf, es war schwer zu sagen, woher die so plötzlich aufgetaucht war; als er kam, hatte er meiner Meinung nach keine getragen, aber vielleicht lag das daran, dass sie komischerweise genau die gleiche Farbe hatte wie seine Haare.
    »Was?«, fragte ich wieder.
    »Gehen wir jetzt das Auto angucken.«
    »Was?«
    »Gehen wir jetzt das Auto angucken«, sagte er, diesmal quasi in den Großbuchstaben eines erwachsenen Menschen, sodass es mir, wenn es nicht mein eigener Sohn gewesen wäre, wahrscheinlich die Nackenhaare aufgestellt hätte, wie in einem miesen Roman. Ich sah ihn an, er stand als rötliche, weiche Skulptur vor mir. Ich schaute nach draußen, auf das Fenster gegenüber, wo die Ingenieursfrau gerade mit operettenhaft ausladender Geste die Vorhänge zuzog, was bedeutete, dass sie vermutlich schon eine Weile spioniert hatte.
    Dann sah ich wieder meinen Sohn an. Aus seinem Leben wurde ich nicht schlau, aber ich merkte, dass er nervös war. Seine von schmutzig-weißen Turnschuhen zusammengepressten Füße kneteten den Fußboden und wirkten irgendwie schmal.
    Man musste ihm helfen.

Da ging er hin, mein Sohn, im Schlenkerschritt am Ufer entlang, inmitten der inzwischen schwarz-weißen Stadtlandschaft schrumpfte er zu einem rötlichen Punkt und verschwand schließlich in der Öffnung, die man ins fassartige Runde Haus gesägt hatte. Schwer zu sagen, ob ich ihm nun wirklich geholfen hatte, mir selbst hatte ich garantiert keinen Gefallen getan.
    Ich stand eine Weile zwischen der noch immer auf ihre Eisdecke wartenden, fettig aussehenden Bucht und der hässlichen, alten, kastenförmigen Rostlaube und versuchte eine Erklärung für all das zu finden. Ich wurde nicht fündig. Irgendwie war ich einfach so schnell und gedankenlos hinter meinem Sohn zu dem Auto gehektikt, dass es mir jetzt schwerfiel, etwas anderes zu tun, als auf den grauen, allmählich aufschäumenden Himmel zu starren und mit müden Bewegungen die melancholisch klimpernden Autoschlüssel in der hohlen Hand hüpfen zu lassen.
    Dann ging ich los.
    Ich überquerte die Straße, hackte den Code in die Tastatur, gelangte, begleitet von einem barschen Schnarren, ins Haus, ich ging heim, einfach so, schlicht und einfach, rannte die ausgetretene Steintreppe hinauf und ging heim, was wollte ich dort, nichts, ich setzte mich auf einen Stuhl, die Schuhe noch an, begriff, dass ich die Schuhe noch anhatte, riss sie mirvon den Füßen und zog sie wieder an, vergaß die Schuhe, betrachtete mein Heim, das war immer eine sichere Sache, das eigene Heim zu betrachten, ich setzte mich auf den besten Platz, an den Tisch, von da aus sah ich beide Fenster, es war hell, eigentlich schön, ja, alles leuchtete, alles war in bester Ordnung, das eigene Leben auch, in bester Ordnung, und als ich dann auch noch das Radio einschaltete und den Seewetterbericht hörte, da kamen Körper und Geist zur Ruhe, was hatte das nur an sich, das

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