Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
Vom Netzwerk:
entgegen, alle möglichen Leute mit Mützen, schmerzgelben Leuchtwesten, Steppjacken und Pelzen, und dann eine einzelne alte Frau in Schwarz. Als wir uns begegneten,sah sie mir in die Augen und ich ihr, und wir wussten beide, dass wir in einer ähnlichen Angelegenheit unterwegs waren.
    Die Fahrt nach Kerava ging langsam, vorsichtig und nervös, aber unfallfrei vonstatten, und das war die Hauptsache. Keinen Verdruss zu verursachen.
    Nach der Innenstadt wurde die Straße breiter, der Schnee weniger und bräunlich, anscheinend hatte man hier bereits gestreut oder es hatte damit zu tun, dass auf dieser Straße stärkerer Verkehr herrschte, wer konnte das wissen, es interessierte mich auch nicht sonderlich, aber solche kleinen Grübeleien hielten die Gedanken jedenfalls fern von dem, was kommen würde, und natürlich auch vom gegenwärtigen Augenblick. Auf jeden Fall war die Straße allem Anschein nach diejenige, an der der Friedhof liegen musste, ich fragte mich bereits ängstlich, wie ich das alles ohne Zusammenbruch überstehen sollte, es war mir schon immer schwergefallen, bei Beerdigungen die Fassung zu bewahren, seien es nun die von Bekannten oder die von Wildfremden, aber dann bekam ich auch schon Anlass zu anderen Gedanken, weil ein Spinner zum Überholen ansetzte, es herrschte Geschwindigkeitsbeschränkung auf sechzig, und ich wusste nicht, wohin er es so eilig hatte, der Überholer, auf jeden Fall überholte es mich in furchtbarem Tempo, ein schwarz glänzendes Auto, und als wäre der Mittelfinger, der vom Fahrersitz aus gereckt wurde, nicht genug, spritzte mir das Fahrzeug auch noch in hohem Bogen eine beträchtliche Portion braunes Schmierakel auf die Windschutzscheibe.
    Hinter mir erahnte ich weitere Mittelfinger, Blöde-Kuh-Rufe und Schlimmeres, aber ich tuckerte hartnäckig mit vierzigweiter, an mir huschte – oder vielmehr kroch in den Augen der anderen – das gleiche Kerava vorbei wie durchschnittlich überall sonst in dieser Gegend, graue und weiße Klötze zwischen Kiefern. Dann knickte das Wetter plötzlich irgendwie ein, es hörte wie auf Knopfdruck auf zu schneien und aus einem Wolkenspalt lugte für einen Moment sogar die Sonne hervor, worauf blendendes, kaltes, weißes Gold die Landschaft überzog, bis die Straße dann in einen hohen Fichtenwald eintauchte und der Ausblick sich erneut verdunkelte.
    Als die Bäume entlang der Straße wieder niedriger wurden und plötzlich Licht in die Augen schoss, dauerte es einen Moment, bis ich begriff, wo und wie herum ich mich überhaupt befand, und darum bemerkte ich den Wegweiser zum Friedhof erst, als ich schon auf seiner Höhe war. Da zum Nachdenken keine Zeit blieb, stieg ich auf die Bremse, mit dem Resultat, dass das Auto anhielt, wie es beim Treten der Bremse ja auch sein soll, aber zuvor musste ich starr vor Schreck im schlitternden Wagen sitzen und hoffen, dass es irgendwie anständig zum Stehen kam und nicht zum Beispiel auf dem Dach im Straßengraben landete.
    Es kam zum Stehen. Wie ein, nun ja, unverdientes Geschenk des Himmels erschien eine Busbucht, in die das Auto wie von selbst hineinrutschte. Nach dem Abebben der Bewegung blieb ich lange in starrer Haltung sitzen, mit pochendem Herzen und auf die beschneite feldähnliche Fläche vor mir starrend, in deren Mitte ein grauer Kasten aus Blech aufragte, ein Trafo oder was das war, in Schieflage geraten dank eines von der Straße abgekommenen Autos, er wirkte wie eine sturmgebeutelte Jurte. Jemand hatte mit schwarzer Farbe den Satz daraufgesprüht: »Morgen wird es grausam.«
    Schließlich kam ich wieder in Fahrt und schaffte es, an der richtigen Kreuzung nach links abzubiegen. Dort waren zwei Wegweiser übereinander angebracht, auf dem ersten stand Friedhof Kerava und auf dem darunter Fleischräucherei Tuusula . Die Räucherei kam zuerst, aber sie befand sich makaber dicht am Gottesacker. Danach musste ich links abbiegen, und da war er auch schon, der Friedhof, oder zumindest sein Parkplatz. Rechts von der Straße hatte man gerade erst Wald gefällt, womöglich wurde im Knochengarten der Platz knapp, es sah jedenfalls nach einer gewaltsamen Umwälzung aus, so nah an den letzten Ruhestätten. Zwischen Baumstümpfen, abgeschlagenen Ästen und Reisighaufen stiefelte ein krummer Opa mit heiter leuchtender roter Wollmütze umher, er wirkte, als wäre er angeheuert worden, die ansonsten naturgemäß ziemlich ernst wirkende Umgebung ein bisschen aufzulockern.
    Auf jeden Fall lag es nun direkt vor mir,

Weitere Kostenlose Bücher