Der Tag der Traeume
darf ich jetzt nicht bei Jeannie schlafen? Dabei hab ich heute sogar eigenes Geld verdient, ich hab Charlotte den ganzen Morgen geholfen …«
»Halt, stopp!« Kendall unterbrach den Redefluss ihrer Schwester, indem sie eine Hand hob. »Ja, du kannst zum Friseur gehen. Ich gebe dir Geld. Ja, du kannst auch bei Jeannie schlafen, wenn ihre Mutter nichts dagegen hat.« Sie zögerte, als ihr eine Idee kam. »Aber warum schlaft ihr zwei nicht bei uns, dann haben ihre Eltern nach Kino und Essen ein bisschen Ruhe? Und nein, ich wusste nicht, dass Greg neben Jeannie wohnt«, schloss sie lachend.
Hannah errötete. »Sorry.«
»Schon gut.« Wenigstens benahm sich Hannah jetzt wie ein typischer Teenager und nicht wie eine zornige Halbstarke. »Was haltet ihr von dem Vorschlag?«
Die Mädchen blickten erst sich und dann Grace McKeever an.
»Bitte, Mom, kann ich bei Hannah schlafen?« Jeannie zupfte ihre Mutter am Ärmel. »Sie wohnen in Mrs. Suttons altem Gästehaus, Hannah sagt, es ist voll cool da. Sie hat ein eigenes Zimmer, und auf dem Dachboden hat sich Kendall eine richtige Werkstatt eingerichtet. Ganz toll, sagt Hannah. Bitte!«
Hannah hatte im Zusammenhang mit Kendall und dem Haus das Wort toll gebraucht? Kendall zwinkerte, um ein paar Tränen zurückzuhalten, und wischte sich über die Augen. Falls jemand etwas bemerkt hatte, würde sie sagen, die Sonne habe sie geblendet.
»Mir soll’s recht sein, Mädels. Wir fahren auf dem Weg nach Harrington kurz zu Hause vorbei, damit du ein paar Sachen packen kannst, Jeannie.«
»Cool!« Die beiden Mädchen grinsten einander so verschwörerisch zu, als hätten sie gerade einen großen Coup gelandet.
»Bring eine Decke oder einen Schlafsack mit«, riet Kendall Jeannie. »Wir haben leider kein Gästebett oder so was.«
»Doppelt cool!«, freute sich Jeannie, während Grace und Kendall rasch ihre Telefon- und Handynummern austauschten. Dann verabschiedete sich Grace, um noch ein paar Einkäufe zu erledigen. Die Mädchen liefen zu ihren Freunden zurück, aber Hannah machte noch einmal kehrt, beugte sich über den Tisch und sah Kendall an.
»Danke.«
Das Leuchten in Hannahs Augen verriet Kendall mehr als alle Worte. »Keine Ursache.« Sie griff in die Tasche ihrer Jeans und gab ihrer Schwester ein paar Geldscheine. »Hau nicht gleich alles auf den Kopf«, scherzte sie.
Hannah steckte das Geld ein. »Kendall?«
»Ja?«
Hannah schluckte hart.
»Hannah, nun komm schon! Die anderen warten auf uns«, rief Jeannie ihr zu.
»Ich … ich hab dich lieb.« Ehe Kendall etwas erwidern konnte drehte sich Hannah um und rannte zu ihren Freunden.
»Ich dich auch.« Und diesmal löste sich tatsächlich eine Träne aus ihrem Augenwinkel und rann ihr über die Wange.
Der Straßenverkauf näherte sich dem Ende. Ricks Schicht auch. Jetzt konnte er gehen, wohin es ihm beliebte, und sein Weg führte ihn schnurstracks zu Kendall. Er fing sie ab, als sie gerade mit einem Köfferchen in der Hand aus Charlotte’s Attic kam.
»Hey.«
Ihre Augen leuchteten freudig auf. »Selber hey.«
»Erfolgreichen Tag gehabt?« Er deutete auf das Köfferchen.
»Allerdings. Ich habe fast meinen gesamten Bestand verkauft und noch Dutzende von Bestellungen aufgenommen.« Sie schüttelte voller Staunen den Kopf. »Es war ein unglaublicher Tag.«
»Ich wüsste da noch einen krönenden Abschluss.«
»Ach ja?« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
Nach dem Gespräch vom gestrigen Abend hatte er beschlossen, ernsten Themen vorerst auszuweichen, und seine Taktik schien aufzugehen. Statt vor ihm zurückzuweichen rückte Kendall ein Stück näher an ihn heran.
Aber nicht nah genug. »Hast du schon mal ein heißes Date in einem Autokino gehabt?«, fragte er.
Sie zog eine Braue hoch. »Dieses Vergnügen ist mir bislang leider verwehrt geblieben. Wieso?«
»Heute Abend findet hier die alljährliche Diashow statt, traditsionellerweise immer am selben Tag wie der Straßenverkauf. Der Begriff Autokino war vielleicht etwas übertrieben. Das Fußballfeld wird in ein Freilichttheater verwandelt wo die Geschichte von Yorkshire Falls erzählt und mit Bildern belegt wird. Nicht unbedingt spannend, aber trotzdem geht jeder hin. Und ich kenne zufällig ein lauschiges Plätzchen, wo wir ganz unter uns sind und trotzdem alles mitbekommen. Kommst du mit?«
»Musst du nicht arbeiten?«
»Ich habe ganz offiziell dienstfrei und stehe zu deiner Verfügung.«
»Das hört man gern.«
Ihre Stimme sank dabei um eine
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