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Der Tag der Traeume

Der Tag der Traeume

Titel: Der Tag der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carly Phillips
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riss sich zusammen und begegnete Charlottes ruhig abwartendem Blick. »Du setzt voraus, dass wir beide uns ähnlich sind. Sozusagen in einem Boot sitzen. Aber das stimmt nicht.« Wie sollte es auch?
    Denn jedes Mal, wenn Kendall es gewagt hatte, eine gefühlsmäßige Bindung zu einem anderen Menschen – ihrer Tante, ihren Eltern, einem Kind in einer neuen Stadt – einzugehen, war irgendetwas Unvorhergesehenes geschehen, und sie hatte wieder allein dagestanden. Und darin wurzelte auch der Grund für ihre Furcht, erkannte sie mit einem Mal. Deswegen war sie ständig auf der Flucht. Weil die Menschen, die sie liebte, die Menschen, die ihr etwas bedeuteten, sie auf die eine oder andere Art verließen.
    Ihre Eltern hatten sie im Stich gelassen, und in gewisser Weise auch Tante Crystal – damals, als sie Kendall hatte fortschicken müssen, und als sie gestorben war. Die Erfahrungen ihrer Kindheit hatten Kendall gelehrt, dass sie stets von allem getrennt wurde, was sie liebte. Und so bestand ihre größte Angst im Moment darin, die Bewohner von Yorkshire Falls, Rick und seine liebevolle, warmherzige Familie zu lieb zu gewinnen – nur um sie früher oder später zu verlieren.
    Charlotte zuckte die Achseln. »Okay, wenn du es sagst.«
    »Ich habe aber doch Recht. Soweit ich weiß, wolltest du gern in Yorkshire Falls bleiben. Ich möchte die Stadt möglichst bald wieder verlassen.« Und wenn sie das nicht tat? Wenn sie einfach hier blieb, flüsterte ihr eine leise Stimme in ihrem Kopf zu. Fröstelnd schüttelte sie diesen Gedanken wieder ab. Sie hatte sich nie irgendwo auf Dauer niederlassen wollen – wie sie auch das Gefühl nicht kannte, irgendwo dazuzugehören. Und ganz gewiss gehörte sie nicht nach Yorkshire Falls.
    »Worin unterscheiden wir uns denn noch?«, fragte Charlotte mit einem feinen Lächeln. Kendalls Sicht der Dinge schien sie zu amüsieren.
    »Na ja, zum Beispiel hattest du auch nichts dagegen, Roman zu heiraten. Für mich käme eine Ehe nie in Frage.«
    Wenn das stimmt, warum hast du dir dann Gedanken über Ricks Vaterqualitäten gemacht?, meldete sich die Stimme in ihrem Kopf wieder zu Wort. Zum Teufel mit dieser Stadt und Ricks Familie und Freunden. Warum hatten sie ihr so drastisch vor Augen führen müssen, was ihr im Leben alles verwehrt geblieben war? Und was sie haben könnte, wenn sie nicht solche Angst davor hätte, nach dem zu greifen, was das Schicksal ihr bot?
    Charlotte musterte sie, als wüsste sie von dem Kampf, der in Kendall tobte, und ließ ihr einen Moment Zeit, ehe sie sich räusperte. »Ich muss mich wohl geirrt haben. Nach all dem zu urteilen, was du mir gerade gesagt hast, seid ihr beide, du und Rick, das genaue Gegenteil von Roman und mir. Angefangen damit, dass Roman der Vagabund war, nicht ich.«
    »Vermutlich«, murmelte Kendall, die nicht mehr wusste, wo sie eigentlich stand. Wieso wurde sie das Gefühl nicht los, dass Charlotte von vornherein beabsichtigt hatte, ihre festen Überzeugungen zu erschüttern?
    Die andere Frau schüttelte den Kopf und lachte. »Nun, zumindest eines weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit – dass du ein menschliches Wesen bist. Und Menschen sind nun einmal kompliziert. Sie wissen oft nicht, was sie wirklich wollen, auch wenn sie sich das einbilden.«
    »Aha, eine Amateurpsychologin.« Kendall grinste.
    »Nein, nur eine gute Beobachterin. Nimm mich als Beispiel. Ich dachte immer, ich wollte in Yorkshire Falls bleiben, weil das Sicherheit bedeutete. Wie sich herausstellte, beinhaltet das Wort Sicherheit für mich eine ganze Reihe verschiedener Definitionen. Und ich kann mit jeder leben, wenn sie nur Roman mit einschließt.« Charlotte zuckte die Achseln. »Vielleicht redest ja auch du dir nur ein, unbedingt von einem Ort zum anderen ziehen zu müssen. Vielleicht auch nicht.« Sie warf ihr dunkles Haar zurück. »Wenn ich so darüber nachdenke, hast du Recht. Ich sollte mir nicht einbilden, alles über dich zu wissen. Aber wenn du mal eine Freundin brauchst, dann bin ich für dich da. Ohne dir Predigten zu halten, das verspreche ich. Abgemacht?«
    Kendall ergriff die Hand, die Charlotte ihr hinhielt. »Abgemacht«, stimmte sie zu, während Charlottes Worte in ihrem Kopf durcheinanderwirbelten.
    »Der Nächste. Was wünschen die Damen?«, fragte Norman dazwischen und enthob Kendall somit der Notwendigkeit, eingehender über das nachzudenken, was sie soeben gehört hatte.
    »Orangensaft für mich, halbgefrorenen Chaitee für Beth und …« Sie

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