Der Tag der Traeume
herausgekommen?«, fragte er mit angehaltenem Atem.
»Ich bin mir noch gar nicht sicher, ob ich überhaupt irgendwo hingehe.« Kendall wich seinen Blick aus. Sie wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen.
Scheinbar war sie sich hinsichtlich ihrer neuen Pläne noch unschlüssig, aber dass sie die Möglichkeit überhaupt erwähnt hatte, erfüllte ihn mit Hoffnung.
Kendall klopfte sich mit der Hand gegen das Bein, und der Hund trottete ihr hinterher, als sie in die Küche ging.
»Was hast du vor?«, rief Rick ihr hinterher.
»Ich sperre Happy ein, damit wir endlich gehen können. Außerdem brauche ich etwas räumlichen Abstand, ehe ich keine Luft mehr bekomme«, rief sie über die Schulter hinweg zurück.
»Du warst eigentlich noch gar nicht bereit, zuzugeben, dass du dich doch gerne hier niederlassen würdest, hmm?«
»Es geht alles so schnell, Rick. Gib mir Zeit, ein bisschen darüber nachzudenken.«
Er nickte. Damit konnte er leben. Mit einem Haus, einem Hund und einer Schwester, um die sie sich kümmern musste, konnte sie vorerst ohnehin nicht in ihre alten Gewohnheiten zurückfallen und Hals über Kopf ihre Zelte abbrechen.
Zwölftes Kapitel
Seidenweiche Luft, ein tintenschwarzer Nachthimmel und Rick an ihrer Seite. Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte Kendall, als sie das Fußballfeld erreichten. Zum ersten Mal in ihrem Leben freundete sie sich allmählich mit dem Gedanken an, zu einem Ort und zu einem anderen Menschen zu gehören – ohne ständig zu fürchten, irgendwann wieder allein und heimatlos dazustehen.
Sie blickte sich um. Wie Rick versprochen hatte, war die große Anzeigetafel mit einer Leinwand verhängt worden, und überall auf dem Rasen hatten Leute Decken ausgebreitet und es sich darauf bequem gemacht. Rick bahnte sich einen Weg dazwischen hindurch, ohne irgendwo stehen zu bleiben, nur hin und wieder warf er einem Bekannten ein flüchtiges ›Hallo‹ zu.
»Wo willst du denn hin?«, japste Kendall.
»Das wirst du gleich sehen.« Er zog sie weiter, auf die Tribüne zu, die gleichfalls vor Menschen wimmelte.
»Bislang bin ich von dem privaten Ambiente nicht sonderlich beeindruckt«, neckte Kendall ihn.
Sie gingen um die Tribüne herum, dann schob Rick sie unter die Bänke, wo nur die Schritte auf den Metalltreppen sie daran erinnerten, dass sie nicht allein waren. Es war ihm tatsächlich gelungen, inmitten all dieser Menschen eine einsame Oase zu finden. »Okay, ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. Jetzt bin ich beeindruckt.«
»Ich habe dir doch gesagt, ich weiß da ein Fleckchen, wo wir ungestört sind.« Rick schlang die Arme um sie und zog sie an sich.
Es tat gut, wieder in seinen Armen zu liegen, und die Gefahr, von Vorübergehenden wie zwei Teenager beim Knutschen ertappt zu werden, steigerte ihre aufkeimende Erregung noch. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, das Blut rauschte heiß durch ihre Adern. So war es immer mit Rick. Ob sie nur an ihn dachte oder tatsächlich mit ihm zusammen war, immer wurde sie von diesem verzehrenden Feuer erfasst.
»Du hast wirklich den idealen Platz für uns gefunden.« Sie schmiegte das Gesicht in seine Halsbeuge, was ihm ein genüssliches Stöhnen entlockte. »Ich weiß zwar nicht, wie wir hier etwas von der Diashow mitbekommen sollen, aber im Moment ist mir das ziemlich egal. Hauptsache, wir sind allein, wie du versprochen hast.«
»Ich pflege meine Versprechen zu halten, Kendall.«
»Dann musst du dir leider ein anderes lauschiges Plätzchen suchen«, ertönte plötzlich eine vertraute Männerstimme. »Wir waren nämlich zuerst hier.«
»Roman?«, fragte Rick entgeistert.
»Wer sonst?«
»Scheiße«, knurrte Rick.
Kendall konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. »So viel zu deiner originellen Idee.«
»Wie ich schon sagte – wir waren zuerst hier.«
Rick schnaubte abfällig. »Und du meinst, deswegen hättest du das alleinige Recht auf diesen Platz?«
»Nennt man das geschwisterliche Rivalität?« Kendall war auf diesem Gebiet nicht sehr beschlagen, sie hatte keinen Bruder, und mit ihrer Schwester hatte sie nicht lange genug unter einem Dach gelebt, um dieses Phänomen am eigenen Leibe zu erfahren. Aber trotz der unwillkommenen Unterbrechung machte ihr die hitzige, aber dennoch gutmütige Auseinandersetzung zwischen den Brüdern Spaß.
»Nein, unter Männern nennt man das ›sein Revier abstecken‹«, erklärte Charlotte gleichfalls lachend. »Genau genommen haben allerdings weder Roman noch Rick ein Anrecht auf
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