Der Tag der Traeume
oder ihre unzuverlässigen Eltern anriefen.
Nachdem sie das Radio angestellt und sich ein weiteres Mal streng verboten hatte, Rick anzurufen, machte sie sich ans Werk.
Rick kam es so vor, als würde seine Schicht nie zu Ende gehen. Als er sich auf den Weg zu Kendalls Haus in der Edgemont Street machte, brach bereits die Dämmerung herein. Sie erwartete ihn nicht, aber er hatte eine Überraschung für sie, eine Einladung, die sie hoffentlich nicht ausschlagen würde. Er wollte ihr helfen, sich in Yorkshire Falls einzuleben, aber hauptsächlich war er hier, weil er sie vermisst hatte und sie unbedingt wieder sehen wollte.
Er klopfte an, und als sie nicht öffnete, ging er einfach ins Haus. Zumindest in einem Punkt hatte sie sich bereits an das Leben in Yorkshire Falls angepasst. Hier machte sich fast niemand die Mühe, seine Tür abzuschließen – sehr zum Verdruss von Rick und seinen Kollegen.
Drinnen wurde er von Musik empfangen. Er blickte sich um und entdeckte Kendall, die aus vollem Hals singend einer Wand mit einer breiten Rolle einen frischen Anstrich verpasste. Leider waren ihre Bemühungen auf die Länge ihres Arms beschränkt, sodass eine unregelmäßige Zickzacklinie eine strahlend weiße Fläche von einer staubiggrauen trennte. Obwohl der untere Teil der Wand großartig aussah, war der erste Gesamteindruck bestenfalls als unprofessionell zu bezeichnen.
Rick schüttelte lachend den Kopf. »Warum hast du das nicht Eldin überlassen? Der muss sich ja auch irgendwie seine Brötchen verdienen.«
»Rick!« Sie machte aus ihrer Freude, ihn zu sehen, kein Hehl, legte die Rolle weg und drehte sich zu ihm um, um ihn zu begrüßen. »Ich hätte wohl besser eine Leiter besorgen sollen, ehe ich anfange.« Ein beschämtes Grinsen trat auf ihr Gesicht. »Aber ich wollte endlich etwas Sinnvolles tun, ich konnte einfach nicht warten.«
»Warum hast du mich nicht angerufen und gebeten, eine Leiter vorbeizubringen?«
»Weil ich nicht daran gedacht habe, darum.«
Er trat näher zu ihr, wie magnetisch angezogen von einer Kraft, der er nichts entgegenzusetzen hatte. »Vermutlich erwartest du jetzt, dass ich das wieder in Ordnung bringe.«
Sie biss sich auf die Lippe und schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln. »Wir haben eine Abmachung.«
»Wie wahr.« Diese verdammte Abmachung, die sie nach außen hin zum Liebespaar erklärte, Rick aber keine privaten Rechte an ihrer Person einräumte. Höchste Zeit, das zu ändern.
Der Gedanke hatte ihn den ganzen Tag schon nicht losgelassen. Zu dieser Frau, die er kaum kannte und trotzdem aus irgendeinem unerfindlichen Grund beschützen – und besitzen – wollte, fühlte er sich so stark hingezogen wie zu keiner anderen seit langer Zeit. Er kam noch ein Stück näher. Nun saß sie in der Falle. Zurückweichen konnte sie nicht, weil die Farbe an der Wand noch nass war. Sie stand jetzt so dicht bei ihm, dass er ihren Duft einatmen konnte.
Sein Blick wanderte über ihren schlanken Körper. Sie trug Radlerhosen und ein knappes Oberteil, zweifellos wegen der drückenden Hitze im Raum. Die Klimaanlage, die sie sich zugelegt hatte, kühlte nur ihr Schlafzimmer, der Rest des alten Gemäuers glich einem Treibhaus. Kendall hatte keine Lust, auch nur einen Penny mehr als nötig in ein Haus zu investieren, in dem sie nur kurze Zeit zu wohnen gedachte.
Ihre Abreise war auch etwas, woran er nicht gern dachte. Er wollte sie nicht gehen lassen, ehe sie einander nicht besser kennen gelernt hatten.
Und damit konnten sie gleich hier und jetzt anfangen.
Sie sah ihn aus großen Augen an, wartete auf seinen nächsten Schritt. Er stützte sich mit beiden Händen an der Wand oberhalb ihres Kopfes ab – und erkannte seinen Fehler sofort.
»Vorsicht, die Wand ist feucht«, warnte sie ihn etwas verspätet.
»Danke, dass du mich rechtzeitig daran erinnerst.« An seinen Handflächen klebte weiße Farbe.
»Das ist unter guten Nachbarn selbstverständlich.«
»Fällt dir keine bessere Bezeichnung als guter Nachbar ein – für deinen Liebhaber?«
»Nur nach außen hin.« Sie sprach eine Tatsache aus, aber ihre Augen stellten ihm eine Frage.
Die Antwort kannte er so gut wie sie. Sollten sie es wagen, einen Schritt weiter zu gehen?
Sie sog zischend den Atem ein, was zur Folge hatte, dass sich ihre Schultern strafften und sich ihre Brüste noch verlockender unter dem engen Oberteil abzeichneten.
»Das könnten wir ja ändern«, schlug er so lässig wie möglich vor.
Sie legte den Kopf zur
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