Der Tag der Traeume
umzuziehen.«
»Genehmigt.«
Es gelang ihr in Rekordzeit, sich die Farbe abzuwaschen und sich für ein passendes Outfit zu entscheiden. Zum Glück hatte Brian ihr den größten Teil ihrer Garderobe geschickt. Auf ihre Bitte hin hatte er ihrer Vermieterin den Schlüssel zu ihrem Apartment gegeben, und die hatte dann Schubladen und Schränke leer gemacht und die Sachen für ihn zusammengepackt. Kendall gratulierte sich insgeheim dazu, wenigstens ein Mal vorausschauend gehandelt zu haben. Nach einem raschen Blick in den Spiegel straffte sie ihre Schultern. Es kostete sie beträchtliche Überwindung, Rick gegenüberzutreten, da sie noch immer am ganzen Leibe zitterte.
Trotzdem zwang sie sich, leichtfüßig die Treppe hinunterzuhüpfen und blieb vor ihm stehen. »Ich bin soweit.«
Rick pfiff anerkennend durch die Zähne. »Das kann man wohl sagen.« Er griff nach ihr und wirbelte sie ein Mal im Kreis herum.
Um sie von allen Seiten begutachten zu können, vermutete sie. Die Lederhose und das Spitzentop stammten noch aus ihren Modelzeiten. Beides war nicht übermäßig teuer gewesen, da sie nie Kataloge für Designermode gemacht hatte, aber sie wusste, dass sie sich in diesen Sachen von der Menge abheben würde. Obwohl die Party nur dazu gedacht war, den Eindruck, sie und Rick seien ein Paar, zu verstärken, wollte sie sich von ihrer besten Seite zeigen. Sie gestand es sich nur ungern ein, aber sie wünschte sich sehnlichst, Ricks Familie und seine Freunde würden sie mögen. Er würde sie mögen.
Er drückte ihre Hand fester. »Kendall, wegen eben …«
»Vergiss es.« Sie wollte nicht zu hören bekommen, sie hätten es nie so weit kommen lassen dürfen. Nicht, wenn ihre Lippen noch vom Nachhall jenes Kusses brannten und sie sich so lebendig fühlte wie schon lange nicht mehr.
»Das kann ich nicht.« Sein sengender Blick jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie holte tief Atem.
»Du hast Recht«, räumte sie dann ein. »Was wolltest du gerade sagen?« Es führte zu nichts, wenn sie den Kopf in den Sand steckte und jedem Versuch zu einem klärenden Gespräch auswich.
Doch schon wieder wurden sie von einem durchdringenden Klingelton unterbrochen. Diesmal kam er von Ricks Handy. Er warf Kendall einen bedauernden Blick zu, ehe er sich meldete. »Hallo?« Er hörte einen Moment zu, sagte dann: »Wir sind gleich da« und klappte das Handy zu. »Wir müssen uns beeilen, wir sind spät dran.«
Kendall nickte. In gewisser Hinsicht war sie sogar erleichtert. Sie tat gut daran, sich kein allzu intimes Geständnis entlocken zu lassen. Obwohl sie sich so stark zu Rick hingezogen fühlte, wäre es ein Fehler, ihn zu nah an sich heranzulassen. Immerhin war sie fest entschlossen, dieser Stadt – und somit auch ihm – so bald wie möglich den Rücken zu kehren. Nichts und niemand sollte sie daran hindern, noch nicht einmal ein unglaublich gut aussehender Cop mit einem warmen Lächeln und einem unwiderstehlichen Charme.
Fünftes Kapitel
Kendall blickte sich interessiert um. Die Atmosphäre bei Norman’s gefiel ihr. Der Mann schien früher Hobbyornithologe gewesen zu sein, denn die Wände waren mit Fotos von Vögeln übersät, und von der Decke hingen zahlreiche kunstvoll geschnitzte Vogelhäuschen herab.
»Rick hat es schon immer verstanden, seine Vorzüge gewinnbringend zu nutzen«, stellte Raina Chandler fest und lenkte Kendalls Aufmerksamkeit so wieder auf ihr Gespräch zurück. »Schon als Kind hat er seinen Charme ganz gezielt eingesetzt, um Frauen um den kleinen Finger zu wickeln.«
Izzy, Normans Frau und Mitinhaberin des Restaurants, nickte bestätigend. »Als er so ungefähr zwölf war, ist er oft hier reingekommen und hat mich mit Komplimenten überschüttet, weil er hoffte, ein Päckchen Kaugummi abstauben zu können. Seht mich doch an.« Lachend deutete sie auf ihr graues Haar und ihre ausladende Figur. »Als ob ich mir einreden ließe, ich wäre eine zweite Cindy Crawford. Rick war schon immer ein Charmeur.«
Kendall kicherte. »Das glaube ich Ihnen gerne.« Daran hatte sich bis heute nichts geändert. In seinen ausgeblichenen Jeans und dem weiß gestreiften Polohemd bot er einen Anblick, der das Herz jeder Frau höher schlagen lassen musste. Doch viel wichtiger war, dass er darüber hinaus auch noch ein warmherziger, mitfühlender Mensch war.
Er hatte sie seiner Familie und seinen Freunden vorgestellt, lauter Leuten, die sie im Gegensatz zu den Frauen im Friseursalon mit offenen Armen aufgenommen und
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