Der Tag der Traeume
sollten vielleicht erst einmal Charlotte fragen, ob sie Ihre Arbeiten in ihrem Geschäft ausstellt.« Nachdem sie den Conditioner ausgespült hatte, schlang sie ein Handtuch um Kendalls Kopf und half ihr, sich aufzurichten.
Wieder wurde Kendall von einem leichten Schwindelgefühl erfasst, das aber sofort verflog. »Wer ist Charlotte?«
Pam ging um den Stuhl herum, sodass sie Kendall ins Gesicht sehen konnte, dann stemmte sie die Hände in die Hüften. »Wie gut kennen Sie Ihren Herzbuben eigentlich?«
»Gut genug. Warum?«
Pams Augen wurden schmal. »Weil Charlotte Ricks Schwägerin ist. Sie war die Erste, die es geschafft hat, sich einen der Chandler-Brüder zu schnappen. Ich bin erstaunt, dass Sie das nicht wissen.«
Kendall unterdrückte ein Stöhnen. Jetzt war sie in die Falle getappt. An Ricks dienstfreien Tagen hatte sein Auto fast immer vor ihrem Gästehaus gestanden. Er war um sechs Uhr morgens gekommen und meist bis zehn Uhr abends geblieben. Sie hatten das Haus von oben bis unten geschrubbt und gewienert, bloß wusste das außer ihnen niemand. Jeder musste denken, sie wären so verrückt nacheinander, dass sie so viel Zeit wie möglich in trauter Zweisamkeit verbringen wollten. Und dabei erfuhr man unweigerlich intime Details über das Leben und die Familie des anderen. Dummerweise hatten sowohl Rick als auch sie selbst diesen Umstand übersehen, sonst hätte Rick ihr ein paar dementsprechende Informationen gegeben, ehe sie sich allein unter die Wölfe wagte.
»Ihr habt euch tagelang in diesem Haus verbarrikadiert, wie man hört, aber scheinbar nicht viel Zeit mit Reden verschwendet«, kicherte Pam und lieferte Kendall so eine mehr als willkommene Erklärung für ihren Patzer.
Erleichtert nickte sie. »Oh, wir haben so einiges übereinander in Erfahrung gebracht«, erwiderte sie mit viel sagend hochgezogenen Brauen. »Aber ich muss eben einen totalen Aussetzer gehabt haben. Klar weiß ich, welche Charlotte Sie gemeint haben.«
Pams zweifelnde Miene verriet, dass sie ihr kein Wort glaubte. Zu Recht. »Okay, wenn Charlotte nicht interessiert ist, dann kommen Sie noch mal zu mir, und wir sehen, was sich da machen lässt.«
»Abgemacht.« Wenn sie Rick das nächste Mal sah, würde sie ihn über seine Schwägerin ausfragen, was für ein Mensch sie war und ob sie vielleicht bereit wäre, ein paar Schmuckstücke in Kommission zu nehmen. »Danke für das Angebot.«
»Keine Ursache.« Pam begann, Kendalls erblondetes Haar auszukämmen. »Gefallen Sie sich so?«
Kendall lächelte ihrem Spiegelbild zufrieden zu. »Endlich sehe ich wieder aus wie ein Mensch.«
»Gut. Dann wollen wir mal zur Tat schreiten.« Pam hob ihre Schere und begann zu schnippeln.
Rick schob seinen Stuhl zurück und feuerte noch ein Gummiband auf das Bild des Brautpaares ab. Doch diesmal war er nicht auf die Braut sauer, sondern auf sich selbst. Sein Plan, seiner Mutter und der ganzen Stadt vorzugaukeln, er und Kendall wären ein Paar, wies ein paar Schwachstellen auf. Er hatte Mist gebaut, um genau zu sein, und das gleich zwei Mal. Er trug die Schuld daran, dass auf eine schmerzliche Erfahrung in Kendalls Leben gleich die zweite folgte, und sie war in Yorkshire Falls zur Außenseiterin abgestempelt worden, ohne dass er es hatte verhindern können. Eine solche Möglichkeit war ihm nie in den Sinn gekommen.
Allerdings hatte er auch keinen Gedanken an die Reaktion einiger Frauen hier auf eine Rivalin von außerhalb verschwendet. Erst als er Lisa im hinteren Teil des Salons entdeckt hatte, war ihm klar geworden, dass sie hinter dem frostigen Empfang stecken musste, den man Kendall bereitet hatte. Lisa hatte ihre Bekannten scheinbar dazu angestachelt, sie wie einen unerwünschten Eindringling zu behandeln, weil sie ihnen allen den beliebtesten Junggesellen der Stadt weggeschnappt hatte.
»Hier, ein paar Nachrichten für dich.« Felicia legte einen kleinen Stapel pinkfarbener Zettel vor ihn auf den Schreibtisch.
Rick blickte zu der zierlichen Brünetten auf. Sie hatte schon eine ganze Reihe Männer verschlissen, verfügte aber auch über einen großen weiblichen Freundeskreis. Vielleicht konnte sie ihm erklären, warum ein Teil der Frauen hier nichts unversucht ließ, um einer völlig Fremden das Leben schwer zu machen. »Felicia, kannst du mir verraten, wie Frauen eigentlich ticken?«
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse.« Felicia ließ sich auf dem Metallstuhl neben seinem Schreibtisch nieder. »Ich dachte, du bist der
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