Der Tag der Traeume
grünen Augen war sie eine ausgesprochen exotische Erscheinung, und Kendall verstand augenblicklich, wieso Roman, der Weltenbummler, wie Rick ihn genannt hatte, sich in sie verliebt hatte und ihr zuliebe sesshaft geworden war.
»Hi.« Sie ließ ihre Tasche auf die Bank fallen und nahm Charlotte gegenüber Platz.
»Selber Hi.« Charlotte schob die Zeitschrift beiseite, in der sie gelesen hatte. »Hab mich nur geschäftlich ein bisschen auf dem Laufenden gehalten«, erklärte sie. »Also noch mal herzlich willkommen in Yorkshire Falls.«
Kendall lächelte. Die warmherzige Art der anderen Frau gefiel ihr. »Danke«, erwiderte sie und lehnte sich zurück.
Charlotte musterte sie aus schmalen Augen. Endlich spielte ein Lächeln um ihre roten Lippen. »Du glühst ja regelrecht.«
»Und du nimmst wirklich kein Blatt vor den Mund.« Doch Kendalls Instinkt riet ihr, Ricks Schwägerin zu vertrauen, also lehnte sie sich über den Tisch. »Aber du hast Recht, und du weißt vermutlich, woran das liegt.«
Charlotte lachte. »Das ist der Chandler-Charme, gegen den kommst du nicht an.«
Wie wahr, dachte Kendall. Aber sie würde ja bald wieder weg sein, und sie fand, Charlotte sollte die Wahrheit erfahren. »Wir sind nur auf Zeit zusammen«, gestand sie. »Rick braucht eine Alibifreundin, um sich eine Meute liebeshungriger Frauen vom Hals zu halten.«
»Ach ja, Rainas Heiratskandidatinnenarmee.« Charlotte schüttelte den Kopf. »Rick hat mir schon richtig Leid getan.«
»Weil Heerscharen von Frauen hinter ihm her sind? Ich könnte mir Schlimmeres vorstellen«, meinte Kendall trocken. Aber sie wusste, dass nur die Eifersucht aus ihr sprach und Rick es verabscheute, dermaßen bedrängt zu werden.
»Heerscharen nun nicht gerade, aber er kann sich über einen Mangel an weiblicher Aufmerksamkeit nicht beklagen. Zum Glück scheint ihm das nicht zu Kopf zu steigen.«
»Im Gegenteil, es geht ihm fürchterlich auf die Nerven.«
»Du kennst ihn schon recht gut.« Charlotte wurde ernst. »Und du scheinst genau die Richtige zu sein, um ihm dabei zu helfen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Roman hat mir alles darüber erzählt.«
»Rick hat ihn eingeweiht?« Was hatte er Roman wohl sonst noch alles anvertraut, fragte sich Kendall voller Unbehagen.
Charlotte zuckte die Achseln. »Die Brüder haben kaum Geheimnisse voreinander.« Sie betrachtete Kendall mit ihren grünen Augen so forschend, als könne sie ihre Gedanken lesen. Dann schob sie ihr die Speisekarte über den Tisch. »Was möchtest du essen?«
Kendall griff den Themenwechsel dankbar auf. »Ich denke, ich nehme Pfannkuchen und Kaffee.«
»Klingt gut. Izzy?« Charlotte winkte die vierschrötige Frau heran, die Kendall am Abend zuvor kennen gelernt hatte.
»Was darf ich euch beiden bringen?« Isabelle blieb mit gezücktem Block und Stift neben ihrem Tisch stehen.
Charlotte gab die Bestellung auf, wählte für sich aber Orangensaft statt Kaffee.
Izzy grinste. »Ich liebe Frauen, die nicht ständig an ihre schlanke Linie denken.« Sie kritzelte etwas auf ihren Block, sammelte die Speisekarten ein und verschwand in der Küche.
Charlotte verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. »Ich wollte etwas mit dir besprechen, Kendall. Pam sagte mir, du entwirfst Schmuck?«
Kendall nickte. Es rührte sie, dass Pam ihr zuliebe bereits ein paar Fäden gesponnen hatte. »Ja. Ich habe eine Ansichtsmappe mitge …«
»Kannst du mir ein paar Musterstücke zeigen?« Beide sprachen gleichzeitig.
Kendall lachte und holte einen Schnellhefter mit Hochglanzfotos aus der Tasche. »Muster habe ich zu Hause, aber da ich sowieso mit dir über meine Arbeit reden wollte, habe ich das hier mitgebracht.«
Während Charlotte die Fotos betrachtete, erklärte Kendall ihr, wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellte. »Ich wollte dir vorschlagen, meine Arbeiten in deinem Geschäft auszustellen. Um ganz ehrlich zu sein – ich brauche dringend Geld, ich bin fast pleite.« Verlegen biss sie sich auf die Lippe. Sie hasste es, ihre Probleme vor Charlotte auszubreiten, wusste aber, dass sie keine andere Wahl hatte. »Ich habe in New York als Model gejobbt, um das Pflegeheim bezahlen zu können, in dem meine Tante untergebracht war, aber während ihrer letzten Wochen musste sie rund um die Uhr betreut werden, und die Kosten sind in Schwindel erregende Höhen gestiegen. Nach ihrem Tod kam ich her, um ihr Haus zu verkaufen, das hätte mir erst einmal aus der Klemme geholfen. Ich musste jedoch leider
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