Der Tag der Traeume
feststellen, dass es total baufällig und verwahrlost ist, und die Reparaturen sind auch nicht billig. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass du nur aus Mitleid auf meinen Vorschlag eingehst oder weil du meinst, es Rick zuliebe tun zu müssen. Ich möchte, dass du dich unabhängig von dem allen entscheidest, ob wir es auf einen Versuch ankommen lassen wollen.«
»Da sind wirklich ein paar schöne Stücke dabei.« Charlotte strich mit der Fingerspitze über das kunstvolle Drahtgeflecht auf einem der Fotos. »Ich sage dir ganz offen, dass ich nie Sachen akzeptieren würde, die die Qualität meiner Ware herabsetzen. Aber ich bin nicht nur davon überzeugt, dass sich dein Schmuck gut verkaufen wird, sondern wir werden sicher auch noch ganz hübsch daran verdienen. Ich möchte natürlich deine Arbeiten erst einmal in natura sehen, aber ich denke nicht, dass ich meine Meinung ändern werde. Ich könnte höchstens in Versuchung kommen, ein Stück für mich selbst zu kaufen.«
Dabei lächelte sie, und Kendall atmete auf. Sie kam sich vor, als sei ihr eine Zentnerlast von den Schultern genommen worden. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin.«
»Dazu hast du keinen Grund. Du bist talentiert, und wenn wir uns zusammentun, profitieren wir beide davon. Ich habe in meinem Laden vorne neben der Kasse einen Glaskasten hängen. Da würde ich deinen Schmuck auslegen, und über meinen Anteil vom Verkaufspreis werden wir uns schon einigen.«
»Wunderbar.«
Izzy kam mit zwei Tellern in der Hand auf sie zu. Charlotte reichte Kendall ihre Mappe zurück, die diese sorgfältig in ihrer Tasche verstaute, ehe sie eine Visitenkarte auf den Tisch legte. »Da steht meine Handynummer drauf. Du kannst mich also jederzeit erreichen«, sagte sie zu Charlotte.
»In Ordnung.«
Izzy stellte vor jede der beiden Frauen einen Teller hin. Der köstliche Duft frisch gebackener Pfannkuchen erfüllte die Luft, und Kendall lief das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig sie war. Doch Charlotte blickte angewidert auf ihren Teller und wurde noch eine Spur blasser. »Weißt du was, Izzy? Ich hab’s mir anders überlegt. Bring mir doch bitte einen Tee und ein paar Scheiben trockenen Toast. Tut mir Leid, wenn ich dir Umstände mache.«
»Bist du okay?«, erkundigte sich Kendall besorgt.
»Kommt drauf an, was du unter okay verstehst«, murmelte Charlotte. »Nein, mir geht’s gut, wirklich. Ich kriege nur morgens kaum einen Bissen runter. Aber der Gedanke an Pfannkuchen war so verlockend, da habe ich gedacht, ich probier’s einfach mal.«
»Kein Problem, Schätzchen«, versicherte ihr Izzy, dann beugte sie sich näher zu ihr. »Samson ist draußen. Ich pack ihm die Pfannkuchen ein. Was Norman nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Die zwei sind sich ja nicht gerade grün.«
»Danke, Izzy. Setz sie mir auf die Rechnung, ja?« Charlotte lächelte ihr dankbar zu.
Izzy winkte nur ab.
»Wer ist Samson?«, fragte Kendall, sowie Izzy außer Hörweite war.
»Eine Art Stadtstreicher«, erklärte Charlotte. »Er hat weder Familie noch Freunde. Ob er über Geld verfügt, weiß niemand, aber er scheint auf Hilfe angewiesen zu sein. Ich lasse ihn gelegentlich Botengänge für mich machen, dann hat er nicht das Gefühl, Almosen annehmen zu müssen. Meiner Meinung nach wird er von allen missverstanden.«
Kendall nickte und musterte Charlotte unauffällig. Ihre Reaktion auf den Anblick des Essens hatte ihr einen Schrecken eingejagt. Aber nun, da der Teller nicht mehr vor ihr stand, war die Farbe wieder in ihre Wangen zurückgekehrt. »In New York findest du solche Typen an jeder Straßenecke, nur kümmert sich da niemand um sie. Irgendwie traurig, findest du nicht?«
»In D. C. sieht es nicht anders aus. Zum Glück bildet Yorkshire Falls eine Ausnahme. Hier haben die Menschen noch ein Herz. Die meisten zumindest.« Charlotte blickte auf Kendalls Teller und atmete tief durch. »Iss, ehe alles kalt wird. Ich würde gern noch ein bisschen übers Geschäft reden, bis mein Frühstück kommt, wenn du nichts dagegen hast.«
»Wenn du meinst …«
»Iss«, drängte Charlotte. »Und hör zu.« Sie grinste breit. »Darüber nachdenken kannst du später. Ich habe in Washington, D. C, ein paar Kontakte geknüpft und denke daran, dort eine Boutique zu eröffnen. Wenn sich deine Arbeiten hier gut verkaufen, hättest du dann Lust, auch einen Versuch in der Stadt zu starten?«
Kendalls Herz begann schneller zu schlagen. »Machst du
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