Der Tag der zuckersueßen Rache

wir sie zählten, und es war einfach nur witzig und ich dachte . . . Warte mal, ich glaube, jemand hat gerade einen Brief bei uns eingeworfen. Wie seltsam.
    Montag, 18 Uhr 25 Liebe Cassie, Du bist bestimmt erstaunt darüber, dass ich Dir schreibe. Mein Name ist Paul Wilson und ich gehe auf die Brookfield High. Ich habe letztes Trimester im Rahmen des Ashbury-Brookfield-Brieffreundschafts-Projekts Deinen Brief bekommen und mich sehr gefreut, ein wenig von Dir zu erfahren. Eigentlich hätte ich Dir ja zurückschreiben und Dein Brieffreund werden sollen. Aber ich habe nicht geschrieben! (Wie Du vielleicht bemerkt hast.) Ich war einfach zu beschäftigt ich bin Schauspieler und habe dieses Jahr die Hauptrolle in unserer Theateraufführung, deshalb probe ich die ganze Zeit wie verrückt. Um die Wahrheit zu sagen, ich schreibe Dir nur aus dem Grund, weil es mir total mies geht. Ich schäme mich fast, Dir das zu erzählen, aber ich habe heute Nachmittag einen (von mir nicht provozierten) Kampf »verloren«. Ein Typ aus meiner Klasse namens Seb Mantegna hat mich auf dem Heimweg nach der Schule einfach aus dem Hinterhalt überfallen. Ich ging gerade die Straße entlang, ohne jemanden zu stören, und dachte an meine neue, wunderhübsche Freundin (tut mir leid, dass ich sie erwähne, aber sie flattert immer irgendwo in meinem Unterbewusstsein herum) wo war ich gerade? Ach ja, ich laufe also einfach so vor mich hin, da taucht Seb Mantegna wie aus dem Nichts vor mir auf und prügelt auf mich ein. Ich bin zwar nicht gerade ein Zwerg, aber er hat einen schwarzen Gürtel in Karate oder so, und Tatsache ist, ich war einfach nicht sehr erpicht darauf, mich mit ihm zu schlagen. Ich halte nichts von Gewalt. Also ver suchte ich, ihn zu besänftigen, Du weißt schon, um mich zu verteidigen. Das Ergebnis war ein blaues Auge, eine blutige Nase usw. und mehrere Fußtritte, während ich schon am Boden lag. Kein sehr schöner Anblick, das kann ich Dir sagen. Warum ich Dir das erzähle? Na ja, als Seb mir einen letzten, brutalen Tritt versetzte, sagte er: »Das ist dafür, was Du Cass Aganovic angetan hast, Du mieses Arschloch.« Oh Mann! »Wer ist Cass Aganovic?«, überlegte ich, während ich ver suchte, mich wieder aufzurappeln (und meine Würde wiederzufinden). Und dann fiel es mir ein das ist doch dieses Ashbury-Mädchen, das mir damals im letzten Trimester geschrieben hat. Deshalb wollte ich fragen, Cassie, ob Du vielleicht etwas über diese Sache weißt. Ist dieser Seb ein Freund von Dir? Oder hast Du genauso wenig Ahnung, was das sollte, wie ich? Das einzige Gute ist, dass dieser Typ Seb schon öfter Ärger wegen seines aggressiven Verhaltens hatte. Er ist immer ungeschoren davongekommen, weil er sich mit Leuten prügelte, die es verdienten. Schlägertypen und so. Aber letztes Jahr haben sie angefangen, härter durchzugreifen, und außerdem gehöre ich zu den netten Jungs. Für diesen Angriff auf mich fliegt er mit Sicherheit von der Schule!
    Mit besten Grüßen Paul Wilson
    PS: Ich habe gerade Deine Adresse nachgeschlagen (Dein Nachname ist ziemlich ungewöhnlich!) und ich denke, ich düse schnell bei Dir vorbei und werfe diesen Brief ein. Je schneller wir der Sache auf den Grund gehen, desto besser. Ich hoffe, es macht Dir nichts aus, dass ich jetzt weiß, wo Du wohnst! Vielleicht sehe ich Dich sogar durchs Fenster!
    PPS: Mir fällt gerade ein, dass Seb Mantegna morgen zu einer Schüler-Kunstausstellung nach Newcastle will. Deshalb werde ich gleich morgen früh zu unserer Rektorin gehen. Die lässt ihn bestimmt nicht fahren! Bin ich gemein, wenn ich sage, wie sehr ich mich auf sein enttäuschtes Gesicht freue? Nein. Er sollte auf keinen Fall unsere Schule dort repräsentieren dürfen er ist ganz offensichtlich völlig durchgeknallt.
    Alles Gute, liebe Cassie Dein Paul

Rettet Seb Mantegna

Dienstag
    Lieber Charlie, RATE, WAS WIR GETAN HABEN?!?! WIR HABEN PAUL WILSON ENTFÜHRT! Das ist kein Witz, sondern echt wahr. (Und Charlie, deshalb solltest Du auch wieder mit mir sprechen und mir zuhören! Bitte verzeih mir. Vergiss die Sache mit dem Gasleck endlich, denn das war gar nichts im Vergleich zu dieser Sache hier!) Wir mussten Paul entführen, weil er der Schulleitung erzählen wollte, dass Seb ihn verprügelt hat, und dann hätte man ihm sicher verboten, an der Kunstausstellung teilzunehmen. Dabei war das doch sein großer Traum. Keine Angst, es ist keine illegale Entführung – Paul weiß nämlich gar nicht, dass er entführt wurde.