Der Tag des Königs
weg.
Â
»Deine Mutter â Sie wird nicht wiederkommen.«
»Ich weiÃ.«
»Woher weiÃt du das?«
»Ich weià es eben. Ich wusste es schon lange bevor sie ging. Sie war uns nie wirklich nahe. Sie wird mir nicht fehlen. Ich werde nicht leiden. Es war richtig von ihr zu gehen.«
»Und dein Vater?«
»Was, mein Vater?«
»Die Arbeit, die ich für ihn geleistet habe, wird ihn nicht besänftigen. Er muss auf andere Weise gerettet werden.«â
»Wie?«
»Das weià ich im Moment noch nicht. Was ich weiÃ, ist, dass ich meine Kraft verloren habe. Im Gefängnis habe ich viel verloren. Sie haben mir dort viel weggenommen. Sie waren stärker als ich. Sie sind die Stärkeren, das muss ich zugeben. Ich kann deinem Vater nicht helfen. Tut mir leid. Ich bin nicht mehr derselbe. Ich habe mich auch verändert. Bald werde ich alles aufgeben. Vielleicht sogar sehr bald.«
»Keine Sorge. Ich kümmere mich um meinen Vater. Ich weiÃ, was zu tun ist.«
»Was hast du vor?«
»Ich werde ihm auf meine Art helfen. Ich werde ihn heute, am späten Vormittag, auf den Suk von Lakhmiss mitnehmen. Er liebt Suks. Früher konnte er nie hingehen. Er arbeitete zu viel. Nun ist er frei. Zu frei.«
»Suk Lakhmiss? Der findet doch jeden Donnerstag statt, oder nicht?«
»Ja, ja.«
»Heute ist aber Mittwoch.«
»Ich weiÃ. Die Welt steht kopf. Das ist wegen Hassan II . Morgen wird er einen hohen Gast am Flughafen von Salé empfangen. Und .â.â.«
»Der Festzug wird am Suk vorbeifahren.«
»Alles muss bei seiner Durchfahrt geschlossen sein.«
»Also sind sie auf die Idee gekommen, den Suk von Lakhmiss heute, mittwochs, zu veranstalten. Die Welt steht kopf, du hast recht. Das ist kein gutes Zeichen.«
»Mein Vater wird sich sehr freuen hinzugehen, da bin ich mir sicher. Es ist ein Suk für Landbewohner. Und das hat er immer gemocht. Er kommt ja auch vom Land. Wir werden Gemüse kaufen und Fleisch .â.â. Und heute Abend helfe ich ihm beim Kochen. Mein Vater kocht gut.«
»Wirst du immer für ihn da sein und dich um ihn kümmern?«
»Immer.«
»Wirst du ein guter Sohn sein?«
»Weià ich nicht .â.â. Ich habe noch genug Zeit, darüber nachzudenken. Erst mal geht es auf den wöchentlichen Suk von Lakhmiss.«
»Und dann?«
»Bringe ich ihn dazu, dass er meine Mutter vergisst.«
»Du liebst deine Mutter also wirklich nicht?«
»Ich weià nicht. Sie ist weggegangen. Ich werde mich dazu zwingen, sie zu vergessen. Und meinem Vater .â.â. vielleicht können Sie ihm wenigstens helfen, dass er sie vergisst. Ãberall heiÃt es, Sie seien mächtiger als ein jüdischer Hexenmeister. Ich kann nicht glauben, dass Sie Ihr Talent, Ihre Macht verloren haben. Ich glaube eher, dass
auch Sie nicht wollen, dass meine Mutter zurückkehrt. Stimmt's? Oder täusche ich mich?«
»Du denkst ein bisschen zu viel nach, mein Sohn.«
»Glauben Sie? Sie müssen mir keine Antwort geben. Aber tun Sie wenigstens Ihre Arbeit für meinen Vater, damit er vergessen kann. Damit er weniger leidet, so wenig wie möglich. Damit er weniger weint. Damit er sich schnell wieder erholt, schnell, ganz schnell, und dann werde ich eine andere Frau für ihn finden. Eine andere Frau von der Sorte, wie er sie liebt.«
»Gut, gut. Abgemacht. Aber das bleibt unter uns. Du verrätst ihm nichts. Schwörst du?«
»Ich schwöre. Ich werde ihm nichts verraten. Ich selbst werde ihn mit dem Fluch des Vergessens belegen.«
»Dann brauche ich etwas Intimes von deinem Vater.«
»Würde ein Unterhemd genügen?«
»Ja.«
»Ich bringe es Ihnen morgen, am Donnerstag. Nein, nein .â.â. Morgen kann ich nicht. Ich muss mit dem gesamten Collège am StraÃenrand stehen und bei der Vorbeifahrt des königlichen Festzugs dabei sein. Geht es auch übermorgen?«
»Ãbermorgen ist Freitag. Also gut, aber komm vor dem groÃen Gebet.«
»Ich werde viel früher kommen, viel früher.«
»Du musst mir noch etwas anderes mitbringen.«
»Was?«
»Soweit ich sehe, bist du auf dem Weg, ein Mann zu werden. Bist du dreizehn, vierzehn?«
»Fast vierzehn.«
»Du hast sicher schon viele Haare unter den Achseln und rings um dein Geschlecht.«
»Ja, ja, viele.«
»Normalerweise tun die
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