Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
begraben.
Was das Foto angeht: Z wei Großcousins von dir, Gene und Colin, waren auch bei dieser Familienfeier. Sie tauchten erst nach Sonnenuntergang auf und behaupteten, den ganzen Tag auf einer anderen Party gewesen zu sein. Sie waren echte Playboys, daher glaubte man es ihnen wohl sofort. Die Wahrheit sieht ganz anders aus: S ie sind Vampire. Sie kamen zur Party, und als da s Foto geschossen wurde, machten sie sich einen Scherz daraus, mit in der Gruppe zu stehen. Wie gesagt: Vampire können nicht fotografiert werden. Sie fanden es lustig, doch Roy weniger. Er hatte Angst, verraten zu werden und statuierte an Colin ein Exempel: E r wurde dem Sonnenlicht ausgesetzt. Gene verstand die Warnung und wurde danach ruhiger. Das war etliche Jahre vor meiner eigenen Verwandlung. Menschlich gerechnet waren sie eine Generation älter als ich, aus einem anderen Zweig der Familie.
Die beiden hatten sich nach ihrer Verwandlung schnell dem Vampirvolk angeschlossen und ihr Schicksal angenommen. Aber sie waren noch jung und unbändig. Ich hätte mich ihnen nie anschließen können Naja, Colin habe ich persönlich als Vampir ja gar nicht kennen gelernt . Gene hat mir von der Geschichte damals erzählt. Er w ar ein paar Male hier, um mich zu überreden, ihm in die Unterkunft zu folgen, doch ich habe ihn jedes Mal wieder weg geschickt.“
Emily dröhnte der Schädel. Es war zu viel. Zu viel Information, und noch immer zu viele Fragen.
„Okay, ihr habt also ein Problem mit der Sonne. Und mit Nahrung und damit, angezündet zu werden . Mit dem Blut und Kreuzen und Weihwasser und so… das stimmt alles?“
Edwina lachte. „Wir sind keine gottlosen Geschöpfe, meine Liebe! Deine Mutter und einige anderen waren der Auffassung, dass man uns mit Silberkreuzen, Weihwasser und Gebeten verscheuchen kann, aber… wir sind nicht verflucht, nicht im biblischen Sinne. Wir sind einfach anders.“
„Und ihr… verjüngt euch?“
Ihre Großtante schüttelte den Kopf. „Nein, nicht als Prozess. Bei der Verwandlung werden wir optisch wieder ein wenig jünger. Du wirst also nie einem Vampir begegnen, der aussieht, als könnte er dein Großvater sein. Und du wirst auch keinem begegnen, der hässlich ist, denn eins haben alle Vampire gemeinsam: S ie sind schön und sinnlich.“
Emily lief ein kalter Schauer über den Rücken. Als Edwina das gesagt hatte, spürte die junge Frau plötzlich die Aura, die die Vampirfrau umgab. Ihre Großtante hatte Recht: S ie war von außergewöhnlicher Schönheit und besaß eine natürliche, sinnliche Ausstrahlung, bei der jeder Mann, egal welchen Alters, sofort schwach geworden wäre .
„Und wie geht es jetzt weiter? Kann ich jetzt nur noch hoffen, dass Roy mich nicht… riecht?“
Edwina schüttelte den Kopf. „Dafür ist es bereits zu spät , fürchte ich . Du hast gesagt, es hätte bereits ein Opfer gegeben. Erzähl mir davon.“
Emily gab ihr traurig eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse und der bisher bekannten Todesumstände von Stefan Eckkamp. Dass der Mann ihretwegen sterben musste, versetzte ihr einen Stich ins Herz. Sie hatte begonnen, ihn zu mögen .
„Das ist nicht gut. Ich würde mein Haus darauf verwetten, dass Roy deinen Freund umgebracht hat.“
„Er war nicht mein…“
„Nicht in dem Sinne, Emily. Aber er hätte dir zur Seite gestanden, richtig?“
Die junge Frau nickte stumm und wurde sich noch deutlicher darüber bewusst, was für ein grauenvolles Erbe sie angetreten hatte.
„Dass er diesen Mann getötet hat bedeutet, dass Roy längst weiß, dass du in England bist , und auch wo genau . Entweder hat er dich selbst beschattet oder einen seiner Vertrauten geschickt. Dieser Mann wollte dir helfen. Er hatte keine Chance. Roy will dich, er will die Watsons endgültig ausrotten. Und er scheint nicht gewusst zu haben, dass du in New York lebst, sonst hätte er dich schon lange gefunden. Doch nun ist alles anders: D u bist hier, und er hat deine Fährte aufgenommen. Und du bist die Letzte, er kann sich ganz auf dich konzentrieren. Er wird mit dir spielen und es genießen. Von jetzt an bist du nicht mehr sicher, Emily.“
Die junge Frau begann zu weinen, als sie die Aussichtslosigkeit ihrer Lage begriff. Sie wollte nicht sterben, und vor allem nicht durch die Hand oder das Gebiss eines Vampirs! Verzweifelt startete sie einen letzten Versuch, sich zu retten: „Ich gehe zurück nach New York. Das geht doch! Da hat er mich die letzten sechs Jahre auch nicht gefunden! Ich fliege mit
Weitere Kostenlose Bücher