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Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Titel: Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Münster
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allen liegt etwas an unserem Leben. Na ja. Oder an dem, was wir nun sind. “
    Emily holte tief Luft, bevor sie Gene entgegen schleuderte: „Dann ist es sowieso egal, denn der Tod scheint ja alles zu sein, wofür ich bestimmt bin! Dann will ich ihm wenigstens vorher in die Augen schauen!“
    Dem hatte Gene nichts mehr hinzuz u fügen, und so zuckte er die Schultern, rückte mit einer lasziven Bewegung von Emily ab und deutete in die Richtung der alten Zeder, mit der die junge Frau bereits bei ihrem ersten Besuch auf dem Friedhof Bekanntschaft gemacht hatte.
    „Wenn du so scharf darauf bist, möglichst kurzfristig zu sterben, bitte. Vielleicht kann ich Roy ja auch überreden, dich zu einer von uns zu machen. Du würdest eine gute Braut abgeben.“ Wie um sich selbst zu bestätigen, ließ er seinen rot glühenden Blick gierig über ihren Körper wandern.
    Emily schnaufte verächtlich. „Gene, wir sind verwandt. Wenn es irgendjemanden gibt, der mich garantiert nicht anfassen wird, dann bist du das.“
    Sein ignorantes Grinsen verärgerte sie, doch für den Moment war es wohl klüger, ihren Cousin bei Laune zu halten.
    Er bog ein paar Zweige des riesigen Baumes zur Seite, bis ein winziges Mausoleum zum Vorschein kam. In diesem Augenblick trat der Mond hinter den Wolken hervor und gewährte Emily einen Blick auf die reich verzierte, dicke Holztüre des Gemäuers und auf das seltsame Zeichen, das deutlich sichtbar über der Tür prangte: ein Auge mit zwei Tränen, die versetzt darunter angeordnet waren. Gene bemerkte den neugierigen Blick seiner Cousine.
    „Das Blut weinende Auge. Das Zeichen unsere r Familie , seit Hunderten von Jahren.“
    „Das Zeichen aller Vampire?“
    Gene schüttelte den Kopf. „Nein, nur unserer Familie, unserer Unterkunft . Nenn es Familienwappen, wenn du willst. Wir leben in Großfamilien. Unsere Verwandtschaft beruht auf Verwandlungen. Wirst du verwandelt, gehörst du eigentlich automatisch zu der Familie des Vampirs, der dir das angetan hat. Deswegen gehöre ich zu Roys Familie, ebenso wie Tante Edwina, die allerdings eine Geächtete ist. Man kann sich auch freiwillig für eine andere Familie entscheiden, doch diese muss der Aufnahme zustimmen. Dann findet ein Blutritual statt, das deine Entscheidung unumkehrbar macht. Unsere Unterkunft heißt Lumen Lacrimabundus, kurz einfach Lumen . Wie der Name und das Symbol entstanden sind, weiß wahrscheinlich niemand mehr. “
    Emily nickte pro forma. Jede neue Informationsflut über das seltsame Volk der Vampire schien ihr Gehirn zu überlasten, weil gleichzeitig immer neue Fragen auftauchten. Sie würde irgendwann einmal viel Zeit brauchen, um all das zu verarbeiten. Sofern Roy gewillt war, ihr Zeit zu geben.
    „Dann lass uns mal durchstarten. Ich sterbe heute Nacht vielleicht. Dummes Her umstehen macht das auch nicht leichter .“
    Gene sah sie einen Moment lang bewundernd an, nickte und drückte die schwere Tür auf. Mit einem leisen Knarren gab sie nach und ließ sich überraschend leicht öffnen. Statt Spinnweben und Modergeruch erwartete Emily ein kleiner Treppenabsatz, de m eine gut ausgebaute Wendeltreppe folgte, die scheinbar tief ins Erdreich führte . Kleine Fackeln leuchteten die frisch gestrichenen Wände an und ließen das Treppenhaus beinahe taghell werden.
    „Überrascht? Wir leben zwar im Untergrund, aber nicht im vorletzten Jahrhundert. Wenn dich das schon beeindruckt , wirst du gleich aus allen Wolken fallen.“
    Am Fuße der Wendeltreppe begann ein langer Tunnel, der ebenfalls durch Du t zende von Fackeln erhellt war. Der Boden war aus quaderförmigem, schwarzem Marmor gefertigt, die Wände mit einer wertvollen Holzvertäfelung versehen.
    „Also, wenn jemand unbefugt diesen Eingang findet, musst du ihn sofort erledigen, sehe ich das richtig? Ihr versucht nicht gerade zu verstecken, dass sich hier unten etwas tut.“
    Gene grinste böse, und ein rötliches Flackern war für Sekunden in seinen Augen zu sehen.
    „Warum sollten wir uns verstecken? Wir leben genauso auf dieser Erde wie ihr. Wir haben die gleichen Rechte wie ihr. Aber ihr Menschen wollt das nicht begreifen . Du lässt deinen Hauseingang doch auch nicht verrotten, damit nur ja niemand auf die Idee kommt, dass du dort wohnen könntest, oder? Dass wir jeden Eindringling beseitigen müssen liegt nur daran, dass ihr uns jagt und keiner uns einfach nur besuchen will . Na gut, vielleicht mag das auch daran liegen, dass Menschen von Zeit zu Zeit als Nahrung herhalten

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