Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
in einen bequemen Sessel und lehnte sich behaglich zurück. Emily blieb instinktiv auf der vorderen Kante eines zweiten Sessels sitzen , was Roy zu amüsieren schien.
„Du darfst es dir gerne gemütlich machen. Innerhalb der nächsten Stunden wirst du weder fliehen müssen noch sterben , das verspreche ich dir. Aber nun zu deiner Frage. Du wirst für mich Diplomatin spielen.“
„Diplomatin? Inwiefern das?“
„Ich habe dir nicht umsonst gezeigt, wie wir leben. Und nicht umsonst habe ich betont, dass wir dasselbe Recht zu leben haben wie die Menschen. Weißt du, es ist nicht ganz richtig, dass kein Mensch von unserer Existenz weiß. Ein paar hochrangige Politiker wissen sehr wohl, dass es unser Volk gibt. Sie haben Angst vor uns, weil sie uns, genau wie du, für wilde Kreaturen halten, die nicht zu kontrollieren sind. Aber d ass Menschen angefallen und gebissen werden, ist selten geworden. Die Jugendlichen, die du im Salon getroffen hast, tun es gelegentlich, auch wenn ich es ihnen verboten habe . Es gibt sogar Vampirgesetze dagegen, aber genau wie Menschen sind auch Vampire nicht unfehlbar. Dass ich selbst es auch getan habe, um… na ja , d eine Familie auszulöschen , weißt du ja .“
Emily hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Wo wir gerade so offen sind: H ast du immer noch vor, uns komplett auszulöschen, oder glaubst du mir, dass es ein Unfall war und… begnadigst mich?“
Roy sah sie lange nachdenklich an, bevor er antwortete. „Ich habe Jahrhunderte damit verbracht, deine Familie zu jagen. Du hast keine Ahnung, was für eine lange Zeit das ist. So einen Plan gibt man nicht einfach so auf , auch wenn Fakten dafür sprechen würden . Es ist in mir, es ist ein Teil von mir. Dass du noch lebst, hast du nur zwei Dingen zu verdanken: dem Umstand, dass du Vivienne so ähnelst, und der Tatsache, dass du mir helfen kannst.“
Emily begann zu verstehen. „Also entweder ich spiele dein kleines Spielchen mi t, oder ich bin tot, richtig?“
„Wenn du es so formulieren willst… ja.“
Die junge Frau nickte und kämpfte die ungeheure Wut nieder, die sich innerlich in ihr ausbreitete , im Angesicht dieser Erpressung. „Also schön. Da ich keine Wahl habe, wenn ich leben will: W as soll ich tun?“
„Wie schon gesagt gibt es einige Politiker, die von uns wissen und uns gern tot sehen würden. Und damit meine ich: richtig tot. Nicht mehr existent. Vor etlichen Jahren hat ein unglaublich dämlicher Vertreter unseres Volkes die Wirkung von Drogen ausprobiert. Er ist total durchgedreht und hat im Rausch einen hochrangigen Politiker getötet. Leider wurde er auf frischer Tat ertappt. Er diente wochenlang als Versuchskaninchen, bis man zu akzeptieren bereit war , dass es Vampire tatsächlich g ibt . Dann folterte man ihn und zwang ihn so, zu singen wie ein Vögelchen. Er hat Teile unseres Volkes verraten.
Eine Gruppe von politischen Vertretern gründete daraufhin die VHA, die Vampire Haunting Agency, die es offiziell natürlich gar nicht gibt. Sie erforscht unsere Welt, unsere Kultur und unsere Lebensweise, oder versucht es zumindest , denn bislang ist es uns gelungen, sie uns weitgehend vom Hals zu halten . Das Ziel der VHA ist, unsere Unterkünfte zu finden und unser Volk komplett auszurotten. Dabei sind sie sich sehr wohl bewusst, dass sie das nur in England erreichen können, denn keine politische Macht der Welt würde ihnen glauben, wenn sie von der Existenz von Vampiren erzählen würden. Doch es gibt uns nun mal weltweit , daher w äre es nur ein kleiner Sieg. Ich persönlich fände es sinnvoller, unsere Artgenossen in Rumänien im Zaum zu halten. Sie sind nicht so fortgeschritten wie wir. Da unten leben noch die wirklichen Ur-Vampire. Blutrünstige, unzivilisierte Clans.
Was wir hier in England erreichen möchten und als Folge davon auch in allen anderen Ländern, ist eine Gleichberechtigung. Wir sind anders, aber keine Monster. Wir zapfen schon seit Jahrzehnten Blutbanken an und beziehen einen Teil des dort gelagerten Bluts zu unserer Versorgung. Es müssen keine Menschen mehr sterben, um uns zu ernähren. Was uns leider davon abhängig macht, dass genug Menschen Blut spenden.“
„Warum geht ihr Familienoberhäupter dann nicht zu den Politikern und sprecht mit ihnen?“
Roy lachte bitter auf und fuhr sich mit der Hand durch sein langes, schwarzes Haar.
„Wie stellst du dir das vor? Die zuständigen Männer werden ständig von Bodyguards bewacht, die der VHA angehören. Ein Schritt in deren
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