Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
habe andere Pläne mit dir. “
Roy setzte sich nun aufrecht hin und sah sie ernst an. „ Was hast du bisher von uns mitbekommen?“
Emily überlegte. Neugierige Blicke, dekadentes Blutschlürfen… das war eigentlich alles.
„Raubtiere in der Mittagspause, wenn du so willst.“
Roy fing herzlich an zu lachen, und Emily nahm erstaunt zur Kenntnis, dass es tatsächlich ein herzliches Lachen war, das beinahe menschlich klang.
„Das ist gut, wirklich gut! Klar, Gene hat dich durch den Salon herein gebracht. Aber weißt du, wir hängen nicht die ganze Nacht herum, immer auf der Suche nach frischem Blut, und verplempern unsere Zeit. Vor ein paar hundert Jahren lief das so ab, aber wir haben uns der modernen Welt angepasst. Wir haben sogar die menschliche Wirtschaft infiltriert. Wir sind überall. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir nicht tagsüber in einem Büro sitzen und arbeiten.“
Emily hörte ihm fasziniert zu, schrak aber zusammen, als er plötzlich vor ihr stand und ihre Hand ergriff. Sie starrte auf die ineinander verschlungenen Hände hinunter und wurde kurz unsicher angesichts der plötzlichen Intimität dieser Berührung .
„Deine Hand ist warm.“ Zwar war sie zuvor schon mit ihm und auch mit Gene in körperlichen Kontakt gekommen, doch die Wärme der Vampirhaut war ihr dabei schlicht nicht aufgefallen.
„Natürlich. Nur kranke oder sterbende Vampire haben kalte Haut. Wir sind untot, um den menschlichen Begriff zu gebrauchen, nicht tot. Ein feiner Unterschied. Vielleicht verhilft es dir zu mehr Verständnis, wenn du dir einfach vorstellst, dass wir eine andere Rasse sind. Eine Art Mutation. Anders.“
Er zog sie mit sich zur Tür. „Komm, ich möchte dir etwas zeigen. Ich möchte, dass du siehst, wie die Vampirwelt tatsächlich aussieht. Wenn es nicht um Nahrung saufnahme geht. Bei Menschen geht es schließlich auch nicht nur ums Essen, oder?“
Emily nickte und folgte dem Anführer des Clans verwirrt, einmal mehr mit tausend neuen Fragen im Kopf. Vor allem verunsicherte sie die Tatsache, dass Roy ihre Hand die nächste n fünf Minuten nicht los ließ, und dass ihr die Berührung angenehm war.
9
Was die junge Watson in den folgenden Stunden sah und erlebte, veränderte ihr Weltbild komplett. Roy führte sie in eine Welt ein, die sich nur in wenigen Punkten von de r der Menschen unterschied und doch so vollkommen anders war.
Nachdem sie noch einmal den großen Salon betreten hatten, in dem einige Vampire faul herumsaßen, begaben sie sich in einen Flügel der Unterkunft, den Emily noch nicht kennen gelernt hatte.
„Die Vampire, die du im Salon gesehen hast, sind vergleichbar mit den Jugendlichen in deiner Welt, die an Bushaltestellen oder anderen öffentlichen Plätzen herum lungern und nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen. Der Unterschied zu unserer Unterkunft ist, dass ich sie im Blick habe. Aber hier leben auch Familien. Hier wird gearbeitet. Und das möchte ich dir gerne zeigen , damit du siehst, dass wir nicht die blutrünstigen Monster sind, für die du uns hältst .“
Emily folge Roy gehorsam, doch die Frage nach dem Warum breitete sich immer mehr in ihr aus.
„Roy?“ Er drehte sich zu ihr um , schaute ihr tief in die Augen und lächelte sanft. Emily versuchte, seinen Blick zu ignorieren, der ihr für einen Moment weiche Beine bescherte.
„Bis vor ein paar Tagen warst du auf der Jagd nach mir, um mich zu beseitigen. Und jetzt zeigst du mir zuvorkommend deine Welt und spielst den Charmanten . Warum tust du das?“
Roy legte den Kopf etwas schief und lächelte geheimnisvoll. „Du wirst es noch erfahren. Sagen wir so: D u kannst mir von Nutzen sein. Alles Weitere später. Komm jetzt.“
Also doch. Emily hatte es geahnt. Er brauchte sie für irgendetwas, nur deswegen war sie noch am Leben , nur deswegen hatte sich sein Verhalten ihr gegenüber ins Gegenteil verkehrt . Es war eine Show, um sie für sich zu gewinnen. Er spielte noch immer mit ihr, nur dass es dabei vorübergehend nicht mehr um ihr Leben ging. Es schürte eine kleine Flamme der Wut in ihr, die jedoch vorübergehend erlosch, als Roy eine Tür , die beinahe so aussah wie die Flügeltür zu seinem eigenen Reich , öffnete . Doch an dieser hatte er vorher geklopft und als sie eintraten, wurden sie wie Besucher empfangen.
Eine blonde Schönheit lächelte Emily freundlich an und strahlte eine Sanftheit aus, mit der die Menschenfrau hier unten nicht gerechnet hatte.
„Emily, darf ich dir Mindy
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