Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

in deiner Nähe bleibe, besteht wohl kaum die Gefahr, dass ich dich verrate. Nur für den Fall, dass du mir noch immer nicht traust. “
    Roy nickte und reichte ihr einen Gurt, der aussah, als wäre er fürs Bergsteigen bestimmt.
    „Du hast Recht. Hier zieh das an. Mit den Beinen durchsteigen und dann so an der Hüfte festmachen.“ Er zeigte ihr, wie sie es machen musste, und befestigte anschließend einen Karabinerhaken an der dafür vorgesehenen Metallschlaufe.
    „Der Gurt wird uns den Flug erleichtern. So sind wir aneinander fest gemacht, und du brauchst dich nur mit halber Kraft festzuhalten. Entschuldige, dass es nicht so komfortabel wird wie in einem Flugzeug.“
    Emily musste wider Willen kichern. Dass sie sich tatsächlich mit einer Bergsteigerausrüstung an einem Vampir festschnallte, um einen gesicherten Flug über halb Großbritannien zu haben, war einfach zum Lachen.
    „Ist schon gut. Dieses Mal bin ich warm angezogen, habe alles gesichert und mehr Kraft. Wird schon werden. So, aber jetzt sag mir bitte, was der Plan ist. Und vielleicht auch noch, was Plan B ist, falls du sowas parat hast.“
    Während er ihr seinen Plan unterbreitete, befestigte er ihren Gurt an seinem Gürtel, so dass sie am Ende sehr dicht vor ihm stand.
    „Wir fliegen zum Wohnsitz des Innenministers und entführen ihn. Er wohnt in einem Außenbezirk von London. Da die VHA ja zu keinerlei Verhandlungen bereit war, müssen wir sie wohl oder übel dazu zwingen. Schau mich nicht so an, wir haben keine andere Wahl. Du hast ja wohl gehört, was sie mit meiner Familie gemacht haben. Extreme Situationen erfordern extreme Maßnahmen.“
    Emily hatte den Vampir entsetzt angestarrt, als er die geplante Entführung erwähnte.
    „Super! Ich gelte dann also nicht nur als Verbündete der Vampire, sondern werde auch offiziell als Entführerin eines hohen Politikers gesucht! Sag mal, willst du mich ruinieren? Ihr Vampire habt mit unserem Rechtssystem nicht viel zu schaffen, das ist mir klar. Aber du sorgst gerade dafür, dass ich ein ordentliches Strafregister anhäufe , für mich gilt das menschliche Rechtssystem nämlich !“
    „Das wirst du nicht. Der Minister und auch die VHA sehen dich nicht mehr als Menschen an. Du bist jetzt eine von uns, in deren Augen.“
    Emily wollte empört zurückweichen, doch da sie bereits an Roy angeschnallt war, prallte sie zu ihm zurück , fiel plump gegen seine Brust und fluchte laut .
    „Verdammt noch mal, hättest du mit dem Ding nicht ein paar Minuten warten können! Was soll das heißen, ich gelte als eine von euch? Ich finde mich noch sehr menschlich!“
    Roy verkniff sich eine Bemerkung darüber, dass sie lediglich Vampirblut getrunken und nun mit einem Hauch übermenschlicher Kräfte ausgestattet war.
    „Es gibt in eurem Gesetzbuch keine Anklage aufgrund Zusammenarbeit mit Vampiren , weil wir offiziell nicht existieren . Verstehst du jetzt, was ich meine? Da unser Volk ein Mythos ist, gibt es keine Gesetze für oder gegen uns. Also hat die VHA keine andere Wahl, als dich schlicht als eine von uns anzusehen, denn einfach laufen lassen können sie dich nicht .“
    Emily seufzte. „Super. Ist mein Leben als Menschenfrau in der Öffentlichkeit jetzt also endgültig vorbei oder beschränkt sich das auf die britischen Inseln?“
    Roy zuckte die Schultern und begab sich in Startposition. „Ich schätze, in New York weiß keiner was von deinen neuen Bekanntschaften, wenn dich das beruhigt , außerdem gibt´s da keine Organisation wie die VHA, soweit ich weiß . So. Halte dich fest, wir dürfen keine weitere Zeit verschwenden. Und noch was : E gal, was ich dir ab jetzt sage , t u´s einfach, ohne Fragen zu stellen. Ich werde n ichts tun, was dir schaden kann .“
    Emily nickte, schlang ihre Arme um seinen Hals und quietschte leise, als sie sich in die eiskalte Nachtluft erhoben.
    Da der Grund für ihre Reise ein Massaker war und sie das unter den Zeitdruck brachte, Leben retten zu müssen , hielten sie dieses Mal nicht zwischendurch an. Der Flug dauerte mehrere Stunden, aber dank Roys Stärkung hielt Emily ohne Probleme durch. Sie hielt sich ununterbrochen gut an dem starken Mann fest , zusätzlich gesichert durch die Gurte, und fühlte sich geboren und sicher in seiner Gegenwart. Die meiste Zeit schwiegen sie und hingen ihren eigenen Gedanken nach, wobei sie aber beide darauf achteten, sich gut von dem anderen abzuschotten.
    Emily dachte darüber nach, wie sie in diese Situation gekommen war. Immer wieder