Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
du gehst bitte eben vorher in die Zelle und siehst nach dem Rechten. Morris soll es doch möglichst gemütlich haben.‘
Roy sagte den letzten Satz mit einiger Bitterkeit, bevor er sich Emily zuwandte und sie kurz auf die Wange küsste , ohne dass sie Einspruch erheben konnte . Mit einem Seitenblick zu Gene fügte er hinzu: ‚Wer von euch sie anrührt, wird von mir persönlich ins Sonnenlicht gesetzt.‘
Nachdem sie sich lautstark darauf geeinigt h atten, die Unterkunft nun wieder zu verlassen und Emily auf dem Weg nach Südamerika war, ging jeder auf seinen Posten und tat, was Roy ihm aufgetragen hatte.
Emily zog sich schweigend zurück und legte sich in das riesige Bett in Roys Zimmer, wobei ihr mit einem gehörigen Prickeln in der Magengrube bewusst wurde, dass dieser Mann als letzter hier geschlafen hatte und sein eigentümlicher Geruch noch in den Laken hing.
Nach einer halben Stunde sinnlosen Grübelns fiel die junge Frau schließlich in einen tiefen Schlaf.
16
„Emily! Wach auf!“ Die junge Frau öffnete verwirrt die Augen und sah in Genes Gesicht, das von Angst und Hektik gezeichnet war. Sofort setzte sie sich auf.
„Wo ist Roy?“ Dann erst wurde ihr bewusst, dass ihr Cousin nicht auf telepathischem Wege mit ihr gesprochen hatte.
‚Was ist passiert? Warum sprichst du? Du hast meinen Namen gesagt, du Trottel! Danke auch!‘
„Und du hast geantwortet. Aber d as spielt keine Rolle mehr. Die VHA hat sich nicht davon beeindrucken lassen, dass wir angeblich alle wieder ausgeflogen sind. Und sie scheinen alle Flughäfen gecheckt zu haben. Sie wissen vielleicht nicht mit Sicherheit, dass du noch bei uns bist, aber sie wissen definitiv mit Sicherheit, dass du nicht unterwegs nach Südamerika bist! Wenn wir nicht sofort verschwinden, sind wir alle Asche ! “
‚ Sind sie hier ?‘
„Ja, und jetzt komm. Roy wartet am Notausgang auf dich, er ist voll beladen mit Waffen. Tom und Silvester erledigen gerade noch die letzten zwei Agenten am Eingang, dann kommen sie nach. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Sonne geht gerade unter. Wenn wir Glück haben, werden wir nicht gebraten.“
„Wenn ihr Glück habt?“ Nun vergaß auch Emily, vorsichtig zu sein, und sprach laut.
„Wir müssen fliehen ! Jetzt komm endlich! Hier, deine Tasche.“
„Vielleicht hättet ihr mich mal etwas früher wecken können?!“
Flink schlüpfte Emily in ihre Schuhe, zog sich die Winterjacke über, griff im Vorbeigehen nach Mütze und Schal, nahm von Gene ihre Tasche entgegen und rannte dann hinter ihm her durch die kleine Tür, um wieder in dem endlosen Gang herum zu irren , der dieses Mal in völliger Dunkelheit vor ihr lag . Mehrmals schlug sie gegen eine Wand, wenn sie eine Kurve zu spät bemerkt e .
„Herrgott , Gene, warte auf mich! Ich sehe in der verdammten Dunkelheit doch nichts!“
Aber kaum hatte sie es gesagt, sah sie einen schwachen Lichtschein vor sich. Roy wartete an der Wendeltreppe auf sie, bis an die Zähne bewaffnet und mit einer Fackel in der Hand.
Er reichte sie ihr gehetzt, bevor er sie die Treppe hinauf drängte .
Wenig später rannten sie im Schutz der Abenddämmerung durch die Straßen Londons und sahen sich dabei ständig achtsam um. Die VHA konnte überall sein.
„Wenn ihr ständig um euch schaut, als würdet ihr verfolgt, könnte man den Eindruck kriegen, dass ihr flieht! Was haltet ihr davon, wenn ihr euch etwas weniger auffällig verhaltet?“
Roy sah Emily gehetzt an, packte sie etwas zu grob am Arm und riss sie mit sich. Die junge Frau unterdrückte einen Schmerzenslaut.
„Wir haben jetzt leider keine Zeit mehr, um auf solche Sachen zu achten. Es zählt nur, dass wir lebend unser Ziel erreichen. Kannst du etwas schneller rennen?“
Emily versuchte, sich von ihm loszureißen, doch er hielt ihren Arm wie in einem Schraubstock gefangen. „Entschuldige, aber ich besitze nicht deine Fähigkeit, mich blitzschnell zu bewegen ! Ich bin nur ein Mensch! “
Unerwartet wurde sie plötzlich von Gene unterstützt. „Roy, du hast sie in die Arme der VHA getrieben und bist schuld , dass sie jetzt nirgendwo mehr hin kann! Jetzt wirf ihr nicht auch noch ihre menschlichen Schwächen vor!“
Beinahe erwartete Emily, dass der Lord nun erzählen würde, dass er sie ja bereits vor die Wahl gestellt hatte, doch er tat es nicht, auch wenn es ihm mit Sicherheit auf der Zunge lag. Stattdessen verlor sie plötzlich den Boden unter den Füßen, als Roy sie an der Hüfte hoch hob und an sich
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