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Der Tag mit Tiger - Roman

Der Tag mit Tiger - Roman

Titel: Der Tag mit Tiger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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drehte sich um und wies sie streng darauf hin: »Wenn du weiter wie ein plattfüßiges Rudel Igel durch die Landschaft stampfst, dann ist deine Karriere als Katze bald beendet.«
    Was seinen Worten etwas an Autorität nahm, war die Maskerade, die er angelegt hatte. Das ansonsten weiße Gesicht mit der rosa Nase war mit dunklem Schlamm verschmiert, wodurch er wie ein betrunkener Zirkusclown wirkte. Anne betrachtete ihn zuerst entsetzt, dann packte sie eine wilde Heiterkeit. Hilflos vor Kichern fiel sie auf die Seite und drehte den Bauch nach oben.
    »Was ist denn nun schon wieder? Kannst du dich nicht normal benehmen?«
    Die Arroganz, mit der diese Worte ausgestoßen wurden – in Verbindung mit dem clownesken Anblick–, wurden Anne fast zum Verhängnis. Nach Luft japsend lag sie auf dem Rücken und bemühte sich, ihrem Lachanfall Herr zu werden. Wütend stürzte sich Tiger auf sie und versuchte, ihr mit seinen scharfen Krallen das Fell über die Ohren zu ziehen. Dieser Angriff ernüchterte Anne, und sie hörte mit dem Kichern auf und versuchte, ein versöhnliches Schnurren zu produzieren, was ihr auch gelang.
    Tiger zog sich mit noch immer vor Zorn funkelnden Augen zurück.
    Anne rappelte sich auf und erkundigte sich höflich: »Tiger, du hast einen kleinen Schmutzfleck auf der Nase. Erlaubst du, dass ich ihn dir entferne? Er liegt an einer ziemlich ungünstigen Stelle.«
    Einigermaßen besänftigt stimmte Tiger zu und kommentierte auch nicht die ausgedehnten Säuberungsaktionen, die zur Entfernung des »kleinen Schmutzfleckes« notwendig waren.

Jakob
    Nach diesem Zwischenfall setzten Anne und Tiger ihren Weg fort.
    Im Osten färbte sich langsam der Himmel rosa, und ein leichter Frühnebel zog aus dem feuchten Tal auf. Ein weiterer warmer Frühsommertag begann. Das Dorf wurde allmählich lebendig, erste Rollläden wurden klappernd hochgezogen, ein Auto startete, irgendwo krähte sogar ein Hahn.
    Sie hatten den Weg verlassen und stromerten durch das hohe Gras. Die Rispen schlugen über ihrem Rücken zusammen, und Blütenpollen bestäubten ihr Fell. Kleine Tiere bevölkerten den Boden. Da gab es schwarz glänzende Käfer, eine schleimige Kröte, einen neugierigen Regenwurm und allerlei Insekten, wie sie an feuchten Bachläufen heimisch sind. Tigers Jagdtrieb schlummerte noch, er konzentrierte sich auf den unsichtbaren Pfad, dem er folgte, und Anne trottete gedankenversunken hinter ihm her, bestrebt, so viele Eindrücke wie möglich zu gewinnen, um nicht ständig unbeherrschbaren Situationen gegenüberzustehen. Außerdem vertraute sie Tiger ganz und gar.
    Plötzlich blieb er stehen, seine Ohren drehten sich nach allen Seiten, um dann nach vorne gerichtet zu bleiben. Anne richtete ebenfalls ihre Ohren aus und lauschte. Es war vermutlich das leise Flüstern des Grases, durch das ein anderes Tier schlich, was Tigers Aufmerksamkeit erregte.
    »Habe ich es mir doch gedacht. Jakob ist ein Ausbund an Pünktlichkeit.«
    »Wir treffen ihn hier?«, wollte Anne wissen.
    »Sicher, das ist seine Route.«
    »Ich würde ihn gerne von Katze zu Katze kennenlernen. AlsMensch kommt man nicht an ihn heran. Er wirkt immer so mürrisch.«
    »Lass dich überraschen.«
    Das Gras vor ihnen schwankte, und im nächsten Moment standen sie dem weiß-scheckigen Kater gegenüber.
    »Was machst du denn hier?«, herrschte Jakob Tiger an. »Du weißt doch ganz genau, das hier ist meine Zeit und meine Strecke. Kannst du dich nicht an die Regeln halten? Ich werde mir das merken und Konsequenzen daraus ziehen. Schließlich habe ich den Revierplan nicht aus Spaß aufgestellt.«
    »Hallo, Jakob, lange nicht mehr gesehen«, begrüßte Tiger ungerührt den ungehaltenen Kater.
    »Du brauchst gar nicht so scheinheilig zu tun. Tatsache ist, dass du in meine Revierzeit eingedrungen bist. Wo soll das denn hinführen, wenn jeder hier durchlaufen kann, wann er will? Diese Unsitten müssen aufhören.«
    »Du hast ja so recht, Jakob, aber es gab da heute Probleme mit dem Heimrevier. Gott, das kennst du doch! Dein Mensch macht dir doch auch manchmal Schwierigkeiten.«
    Damit hatte Tiger dem Gespräch die richtige Wende gegeben.
    »Das kann man wohl sagen, halbtaub, dieser alte Kracher. Er hört kaum noch mein Maunzen. Da muss man sich halb die Lunge aus dem Hals kreischen, bis er sich aufgerappelt hat, um die Tür zu öffnen. Und mit dem Futter wird er auch immer sparsamer.«
    »So schlimm, Jakob?«, forschte Tiger nach und musterte den älteren, aber noch kräftigen

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