Der Tag mit Tiger - Roman
übel, er fand sich so in Ordnung, wie er war. Aber Katzen zu fangen war ihm offensichtlich zu anstrengend, und sein nicht allzu schnell arbeitender Verstand war noch immer mit dem Problem der Ausländer in »seinem« Haus beschäftigt.
»Wenn wir die da raus kriegen, meinste, man kann wirklich nich mehr drin wohnen?«
»Hä?«
»Er meint die Drecksneger.«
Anne konnte der weiteren Diskussion nicht mehr folgen, weil Tiger neben ihr langsam vor der Explosion stand.
»Das also ist mit Cleo passiert«, zischte er. Er stand auf, das Fell gesträubt, mit einem furiosen Buckel, die Ohren und Barthaare angelegt und bereit auf die Brücke zu springen, um den vier Jungs den Garaus zu machen.
»Tiger, beruhige dich! Du kannst doch jetzt nichts mehr machen«, versuchte ihn Anne wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen.
»Rache!«, fauchte Tiger.
»Sei leise, sonst hören die dich noch.«
»Mörderbande, verdammte!«
»Du hast ja so recht, aber das sind vier große Menschen. Tiger, vor denen habe ich Angst.« Annes Flehen traf endlich an sein Ohr, und ganz langsam entspannte er sich wieder.
»Hast recht, jetzt kann man sowieso nichts mehr machen«, grummelte er traurig und fügte nach einem kleinen Moment zur Erklärung hinzu: »Cleo war eine Freundin von Nina.«
Anne erinnerte sich. Die Krankenschwester Minni Schwarzhaupt hatte das graue Kätzchen gefunden, das von einem Auto angefahren worden war und ein verletztes Bein hatte. Das Bein musste amputiert werden, aber Cleo hatte sich wieder erholt und war trotz der Behinderung gut zurechtgekommen. Eines Tages war sie aber dann spurlos verschwunden. Minni hatte damals überall gesucht und auch Anne gefragt, ob sie das Kätzchen gesehen hatte. Jetzt wussten sie und Tiger, was geschehen war, und obwohl Anne versuchte, Tiger von unüberlegten Taten abzuhalten, kochte auch sie vor Wut über diese Tierquäler. Sie überlegte fieberhaft, was sie Wirkungsvolles gegen dieBande unternehmen könnte, darum wurde sie erst wieder auf das Gespräch aufmerksam, als Tiger sie anstupste.
» … brauchst du nur ’n Kanister Benzin, und das Zeug brennt wie die Hölle.«
»Hey, super, Mann. Und wie kommen wir rein?«
»Ich kenn das Haus doch. Hat ’ne Kellertür hinten, die kannste mit ’ner verbogenen Nadel oder mit jedem von solchen Schlüsseln hier aufschließen.«
»Stark!«
»Los, hol den Kanister aus dem Auto.«
»Wartet noch einen Moment, bis alle schlafen. Ich will dabei nich auffliegen. War heute schon mal zu früh dran.«
»Willste dich drücken?«
»Quatsch, is doch ’ne heiße Idee, da wird mir gleich wieder richtig warm.« Alfs hässliches Lachen steckte die anderen an, und Dick bemerkte mit ungewohnter Schlagfertigkeit: »Brauchste keine Jacke, nich.«
»Erkunden wir das Gelände«, schlug Erni vor, und die vier Jungen setzten sich in Richtung Mazindes Haus in Bewegung.
Kaum hatten sie die Brücke verlassen, stieß Tiger einen langgezogenen Heuler aus. Anne, in panischer Angst, entdeckt zu werden, versuchte ihn zum Schweigen zu bringen.
»Wenn die dich hören! Still, so sei doch still!«
Einige Schritte entfernt hörte man Stone kommentieren: »’ne Katze!«
»Ja, solln wir noch kurz …?«
Die vier Jungen blieben stehen und blickten in die Richtung des Gejaules. Anne machte sich ganz klein und presste sich auf den Boden. Tiger schien nichts zu erschüttern. Dick hiebAlf jedoch auf die Schultern und meinte: »Wir ham Wichtigeres zu tun.«
Gemeinsam zogen sie ab.
Was tun?
Endlich war Tiger ruhig geworden. Anne rappelte sich wieder auf und schaute ihn vorwurfsvoll an.
»Mach dir nicht in den Pelz! Das war doch klar, dass die an uns nicht mehr interessiert waren«, erklärte er ihr mürrisch.
»Aber warum musstest du denn plötzlich derart rumjaulen?«
»Cleo hat das Recht, wenigstens eine kleine Klage zu bekommen.«
»Okay, akzeptiert. Sie war ein liebes Kätzchen.«
»Mhm«, meinte Tiger mit einem schrägen Blick auf Anne.
Jetzt, nachdem die Bedrohung vorbei war, fiel Anne wieder ein, was sie gehört hatte.
»Du, die wollen das Haus von Mazindes in Brand stecken. Da müssen wir doch etwas tun.«
»Du willst dich immer einmischen. Das ist nicht unsere Angelegenheit.«
»Aber Cleo ist unsere Angelegenheit, ja?«
»Natürlich.«
»Dann können wir den Jungs zum Ausgleich wenigstens den Spaß verderben.« Tiger war nicht überzeugt. Er putzte sich das weiße Brustfell. »Die Mazindes sind sehr nett zu uns gewesen«, versuchte Anne es auf
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