Der Tag wird kommen
behalten.«
Ein paar lachen nervös. Sie wissen wohl nicht, wie sie damit umgehen sollen, dass ich rede. Laut. Gunnar starrt mich nur an, mit offenem Mund wie ein sabbernder Idiot. Also mache ich weiter.
»Wer weiß? Vielleicht hat Pervo-Gunnar schon mehrere Mütter beglückt. Sagt euren Vätern, sie sollen besser mal die Flinte laden.«
»Ich finde, das reicht jetzt, Hans Petter. Beruhige dich.«
»Ich bin ruhig. Ich rede nur. Du wolltest doch mit mir reden, oder nicht? Hm, Pervo-Gunnar? Gut, jetzt reden wir. Wir klären das hier. Ist doch ziemlich pervers, die Mütter deiner Schüler flachzulegen, das musst du zugeben. Wolltest du sonst noch was bereden? Bist du eigentlich schwul? Trägst du Damenunterwäsche? Dachte ich mir, ja, du bist genau der Typ. Alte Säcke mit zu viel Gel im Haar haben immer irgendeine Macke.«
Ich kann nicht mehr aufhören. Es fließt aus mir heraus, ohne dass ich darüber nachdenke. Ein tolles Gefühl. Ich weiß nicht, wo ich das herhole. Gunnars Haut nimmt langsam eine faszinierend dunkelrote Farbe an. Genüsslich sehe ich mit an, wie die rot-lila Welle sein Gesicht hinaufschwappt, und mir scheint, dass es aus den Haaren dampft. Noch immer ist nur meine Stimme in der Klasse zu hören, und ich rede weiter, bis der Fluss versiegt.
Es wird still.
Dann setzt das Gekicher ein.
»So, ich denke, du gehst jetzt raus und kühlst dich erst mal ab«, sagt Gunnar.
»Gern, aber das solltest du besser auch tun. Wenn deine Birne noch roter wird, hast du bald kein Blut mehr im Schwanz.«
Das löst eine Welle von Gelächter aus, und mir wird klar, dass ich den Mob auf meiner Seite habe. Sie lachen mit mir. Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist ein schneller und eleganter Abgang. Ich greife mir meinen Rucksack und steuere auf die Tür zu. Als ich an ihm vorbeigehe, hebt Andreas die Hand zu einem High Five, und ich sehe mich gezwungen einzuschlagen.
Draußen setze ich mich auf die Steintreppe und denke nach. Ich versuche es jedenfalls, aber es klappt nicht. Vielleicht ist das so, wenn das Gehirn sich nach dem Überkochen abkühlt. Warum habe ich das getan? Jetzt wissen alle Bescheid über Mum und Gunnar. Obwohl, lange kann das ja nicht mehr halten. Wie sollte Gunnar mit Mum zusammenbleiben können, wenn ich es ihm unmöglich mache?
»Hey, Hans Petter. Beweg mal deinen Arsch hierher!«
Andreas ruft vom Haupteingang herüber. Am liebsten würde ich wegrennen. Aber das wage ich nicht.
»Genial, wie du den fertiggemacht hast, Alter. Gunnar ist total alle. Der hat dagestanden wie eine stotternde Statue, noch lange nachdem du raus warst.«
Es ist eine vollkommen ungewohnte Situation. Anerkennung und Respekt von meinem Erzfeind. Ich glaube, er meint es ernst, aber sicher bin ich mir nicht, deshalb grinse ich nur ein wenig aus dem Mundwinkel, um zu zeigen, dass ich es zu schätzen weiß.
»Ich hab ’ne Idee, wie wir das toppen können. Los!« Andreas öffnet die Tür und geht rein. Mir ist klar, dass ich mitkommen soll, aber ich bleibe zögernd stehen. Andreas dreht sich um und hält die Tür auf.
»Was ist, Hansen? Du kneifst doch jetzt nicht?«, fragt er. Ich folge ihm.
Wir gehen die Treppe hoch. Es ist still, alle Lehrer sind in ihren Klassen oder korrigieren Aufsätze oder machen am Schreibtisch ein Nickerchen. Ihre Büros sind in einem langen Flur mit Türen zu beiden Seiten. Am Ende des Flurs ist das Lehrerzimmer. Ich fühle mich ein bisschen schwindelig. Nicht, weil ich Angst habe, auf frischer Tat ertappt zu werden, sondern weil ich keinen Schimmer habe, was Andreas plant. Oder warum er mich dabeihaben will. Er spaziert mit der größten Selbstverständlichkeit ins Lehrerzimmer. Ich gehe hinterher und schaue mich um. Das Zimmer ist leer. Kleine Sofagruppen, bezogen mit grünem Stoff voller Kaffeeflecken, sind im Raum verteilt. Auf einem der Tische steht eine einsame Tasse. Neben der Tür hängt eine Pinnwand. Darauf hat Andreas es abgesehen. Es ist eine altmodische Pinnwand aus Kork, mit Reißzwecken. Eine Liste mit den Daten der Inspektionsrunden hängt daran. Oben in der Ecke steckt ein kleines Foto von einem Baby. Und groß in der Mitte ist ein Plakat für eine Afterwork-Party angepinnt. Andreas nimmt es ab.
»Du musst schreiben«, kommandiert er.
»Schreiben? Was denn? Warum?«
»Weil sie meine Schrift kennen. Hier, nimm den.« Er hält mir einen dicken Filzstift hin.
»Was soll ich schreiben?«
»›Hütet euch vor Pervo-Gunnar‹.«
Keine schlechte Idee von Andreas. Die
Weitere Kostenlose Bücher