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Der Tag wird kommen

Der Tag wird kommen

Titel: Der Tag wird kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Vogt- stli
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Kollegen werden Gunnar die Schulter tätscheln und über die schrecklichen Schüler seufzen, ihn aber trotzdem ein bisschen schief von der Seite angucken und sich fragen, ob nicht vielleicht doch was dran ist.
    Pervo-Gunnar ist scharf auf deine Mutter, deine Tochter und deine Hündin. Verrammelt die Türen und seid wachsam!
    Ich schreibe in Großbuchstaben. Andreas grinst zufrieden und steckt das Plakat gut fest, in der Mitte der Pinnwand, sodass alle es sehen, wenn sie es sich in den Sitzgruppen bequem machen.
    »Geil!«
    Er betrachtet das Werk aus der Entfernung.
    »Lass uns abhauen!«
    Überraschend leise schlüpft Andreas aus der Tür und ich folge ihm. Wir laufen mit langen, geräuschlosen Schritten den Flur entlang, flitzen die Treppe hinunter und durch die Schultür. Ich bleibe nicht stehen, als wir draußen sind, sondern laufe weiter über den Schulhof. Ich habe dasselbe Gefühl wie neulich, als ich im Wald vor Andreas weggerannt bin. Ich halte nicht an, obwohl ich kaum noch Luft kriege und es in meiner Lunge sticht. Ich bin mitschuldig. Ich war dabei. Es hat Spaß gemacht. Den ganzen Weg bis nach Hause renne ich.
    Ich muss wohl etwa zwei Stunden gezockt haben, als ich Mum nach Hause kommen höre.
    »Hans Petter? Bist du da?«
    Ich wette, Gunnar hat sie angerufen und sich beschwert. Er ist ja die größte Petze der Welt. Ich begreife nicht, was Mum an ihm findet. Gibt es keinen netten Arbeitskollegen, der noch solo ist? Ich hätte ihr zeigen sollen, wie Internetdating funktioniert, dann wäre sie bestimmt nicht so verzweifelt gewesen. Wenn ich geahnt hätte, dass sie einen Mann braucht, wäre mir diese ganze Scheiße erspart geblieben.
    »Hans Petter?«
    Sie kommt die Treppe herauf. Ich bin zu alt, um mich unter dem Bett zu verkriechen. Und ich bin zu feige, um aus dem Fenster zu klettern. Oder zu schlau. Es ist ganz schön hoch.
    »Ich bin hier.«
    Sie öffnet die Tür. Sie lächelt sogar. Aber ich sehe an ihrem Gesicht, dass es um was Ernstes geht.
    »Was gibt’s?«
    »Einar hat mich angerufen. Er ist verzweifelt, er sagt, dass er seit Tagen versucht, dich zu erreichen. Warum gehst du nicht ans Telefon?«
    Dad. Gunnar hat also nicht gepetzt, immerhin etwas. Dafür hat Dad sich bei meiner Mutter ausgeheult. Damit ist er auf meiner Respektskala gleich noch ein paar Stufen gesunken. Ich antworte nicht auf ihre Frage. Stoße nur einen Seufzer aus, der deutlich machen soll, wie blöd ich ihn finde.
    »Es tut ihm so leid, Hans Petter. Er fürchtet, dass du etwas missverstanden hast.«
    Ich bleibe stumm. Tue so, als wäre ich total auf mein Spiel konzentriert.
    »Ich weiß ja, wie er ist. Er kann ganz schön zynisch und verletzend sein. Aber falls er dich irgendwie gekränkt hat, bin ich überzeugt, dass er es nicht so gemeint hat.«
    »Hat er nicht erzählt, um was es geht?«
    »Nein. Ich glaube, das weiß er selbst nicht.«
    »Doch, das weiß er.«
    »Was ist es denn? Warum bist du sauer auf ihn?« Sie kommt näher und bleibt hinter mir stehen.
    »Er hat gesagt, er wollte, dass du abtreibst. Und dass du nicht wolltest.«
    »Oh.«
    »Und damit nicht genug. Dass er immer noch sauer ist, weil du nicht wolltest, hat er gesagt.«
    »Wie bitte?« Mum legt mir die Hände auf die Schultern. Ich wirble mit dem Stuhl herum.
    »Er wollte mich nicht haben. Das hat er mir ins Gesicht gesagt. Vater spielen ist nur Theater für ihn, und ich habe keine Lust, das mitzumachen. Das ist Zeitverschwendung.« Ich spucke es beinahe heraus. Eigentlich hatte ich vor, viel ruhiger zu bleiben.
    Mum setzt sich auf mein Bett. Sie ist nicht so geschminkt wie sonst. Kein Lippenstift. Das wirkt irgendwie nackt. Mir gefällt es. Sie sieht jung aus. Ihre Augen sind traurig. Das gefällt mir weniger. Ich habe kein Mitleid nötig.
    »Ist okay, Mum. Ich werd’s überleben. Ich brauche ihn nicht.«
    Sie sieht mich an. »Du brauchst ihn vielleicht nicht. Aber er braucht dich, auf jeden Fall.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß, dass du deinen Vater magst, Hans Petter. Du hast dich immer gern mit ihm getroffen. Und er liebt es, mit dir zu reden.«
    »Und warum treffen wir uns dann immer nur woanders? Warum wohne ich nicht bei ihm? Warum hat er nicht versucht, ein richtiger Vater zu werden?«
    Mum schaut mich lange an. Ich kann sehen, dass sie nachdenkt. Sie überlegt, was sie mir antworten soll. Dann holt sie tief Luft und nimmt Anlauf.
    »Einar würde vielleicht behaupten, dass er nicht der Typ dazu ist, aber in Wirklichkeit würde er gern. Ich

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