Der Talisman (German Edition)
hin und her.
Yasha ballte seine Fäuste und boxte heftig auf den gestreiften Bauch ein. Immer wieder: rechts, links, rechts, links – so hart er konnte. Doch er merkte schnell, dass er den Riesen so nicht besiegen konnte. Also begann er, vor seinem Gegner hin- und herzuhüpfen und ihn zu ärgern. Yasha wollte den Riesenpirat so lange aufhalten, bis Manolo Groß zurückkam.
Der Riese schlug mit dem Tresor nach Yasha. Doch der Junge war auf der Hut und wich den Hieben geschickt aus. Dabei schnitt er freche Grimassen. Aus dem Beutehaufen neben der Tür ergriff er wahllos Gegenstände und warf sie dem Riesen um die Ohren. Soeben hatte er einen Volltreffer gelandet. Die kleine geblümte Blumenvase traf den Riesen genau auf der Nase: Das hatte gesessen! »Du kleiner Schuft!«, grollte der Riese und rollte furchteinflößend mit den Augen: »Ich mach dich noch kleiner, als du jetzt schon bist. Gib auf! Die Beute nehme ich mir sowieso und bringe sie nach Cabeluda!«
Yasha horchte auf. Cabeluda … seine Eltern … und was hatte der fiese Riese dort zu suchen? Der Junge war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt. Das nutzte der Riese sofort aus. Er drückte Yasha mit dem Tresor gegen die Wand und umklammerte seinen Hals mit einer Hand. Der Junge wehrte sich verzweifelt. Die Luft wurde knapp. Er wollte schon aufgeben, da merkte er, dass der Talisman warm wurde. »Talisman, zu Hilfe! Bitte hilf mir doch!«, röchelte er heiser. Und der Talisman half! Wie immer legte er sich ordentlich ins Zeug, wenn er bemerkte, dass Yasha es ohne seine Hilfe nicht schaffen würde.
Yasha war
plötzlich
unglaublich stark. Er riss dem erstaunten Riesen den Tresor aus der Hand und schlug ihm damit so heftig in den Bauch, dass der riesige Kerl ohnmächtig zu Boden fiel. Dann packte er ihn am Kragen und schleppte ihn hinter das Haus. Zur Sicherheit verpasste Yasha seinem Opfer noch einen leichten Schlag mit dem Tresor auf den Kopf. Geschafft! Der Junge rieb sich die schmerzenden Hände. Er war mächtig stolz.
Doch es blieb ihm kaum Zeit, sich über seinen Sieg zu freuen. In der Ferne sah er Manolo Groß vom Hafen zurückeilen. Oh weh! Er musste schnell aufräumen. Im Haus sah es sicher furchtbar aus. Erwachsene und Ordnung sind ein ganz spezielles Thema. Das wusste Yasha noch von früher, als er bei seinen Zieheltern gelebt hatte. Und eines war sonnenklar: Seine Wurfgeschosse lagen überall herum und hatten sicher alles verwüstet. Ein wenig lustlos – denn Aufräumen gehörte keineswegs zu Yashas Lieblingsbeschäftigungen – betrat der Junge das Haus. Und er staunte nicht schlecht, als er sah, dass alles wieder ordentlich an seinem Platz stand. Von Scherben keine Spur, sogar die kleine geblümte Vase, die auf der Nase des Riesen zerbrochen war, stand heil und mit frischen Blumen gefüllt auf dem Tisch! Der schwere Tresor stand wieder in seinem Versteck, als wäre nichts geschehen. Yasha war seinem guten magischen Talisman unendlich dankbar und hüpfte zufrieden in die Truhe zurück.
Da kam auch schon Manolo Groß und klopfte vorsichtig auf den Deckel der Truhe. »Schnell!«, flüsterte er. »Komm raus! Wenn die Glocken der Kirche aufhören zu läuten, musst du auf hoher See sein. Und hier, Yasha-Geist, ist eine Seekarte! Lies sie gut durch und halte dich genau an die Anweisungen, denn die Reise nach Cabeluda ist sehr gefährlich! Und nun segle davon, du wandernde Seele!«
Yasha rannte die Klippen hinunter zum Segelboot. Bald würde er seine Eltern finden. Die Segel waren schon gehisst. Und nun? Yasha war noch nie gesegelt. Er wollte fast aufgeben und Manolo Groß bitten, ihn zu begleiten, aber dann sagte er sich ganz laut: »Ich kann, ich kann, ich kann!« – und los ging die Reise. Das Einzige, was Yasha wusste, war, dass er sein Boot in Richtung Westen steuern musste.
Das Läuten von Kirchenglocken hallte über das Meer. Sicher hatte Manolo Groß den Dorfbewohnern inzwischen die gute Nachricht vom Verschwinden des Yasha-Geistes gebracht. Lächelnd schaute der Junge zurück und sah in der Ferne die Kapverdischen Inseln hinterm Horizont verschwinden. Dann ging der Mond auf. Er spiegelte sich im Wasser und tauchte das Meer in ein silbernes Licht. Es war ein wunderschöner Anblick. Der leichte, beständige Wind ließ das kleine Segelboot schnell durchs Wasser gleiten. Im hellen Mondlicht studierte Yasha die Seekarte. An mehreren Stellen waren Seeschlangen und andere Ungeheuer eingezeichnet. Manchmal stand daneben: Vorsicht! Diese
Weitere Kostenlose Bücher