Der Talisman (German Edition)
Stelle unbedingt vermeiden! Gefährlich!
» Lieber Gott,
hilf mir!«,
flüsterte Yasha. Er war ganz allein auf dem zweitgrößten Ozean der Welt, dem Atlantik. Das war ein unheimliches Gefühl. Plötzlich hörte er ein unheimliches Poltern. Es kam von unten aus der Kajüte. Yasha hielt den Atem an und lauschte. Da war jemand! »Ein Seeungeheuer!«, dachte Yasha und presste seinen Talisman fest an sich. Ängstlich spähte er durch die kleine Luke nach unten. Dort erwartete ihn – im wahrsten Sinne des Wortes – eine riesige Überraschung. Der Riesenpirat hatte es sich zwischen Kisten, Fischernetzen und Taurollen gemütlich gemacht. In der Hand hielt er eine fast leere Flasche Rum. Als er Yashas verdutztes Gesicht über sich auftauchen sah, lachte er laut: »Hahaha, Mückenseele! Geh wieder ans Steuer und segle mich nach Cabeluda, wenn du das kannst! Zu trinken und essen habe ich genug! Und trödle nicht rum, meine Leute warten schon auf mich!« Dabei zeigte der Riese auf die Kisten, die Manolo Groß für Yasha auf das Boot gebracht hatte. Dann schlummerte er wieder ein. »Der Kerl ist betrunken! Ich hoffe, er wirft mich nicht über Bord!«, dachte Yasha bestürzt und kniff sich sehr fest in den Arm, um festzustellen, ob er das alles nur träumte. Aber an dem Schmerz merkte er, dass er wach war. Der Riese hatte sich an Bord geschlichen und segelte als blinder Passagier mit. Aber eigentlich war das gar nicht so schlecht, der Riese war ja ein Pirat. Und Piraten kennen sich auf dem Meer bekanntlich bestens aus. Und natürlich konnte er segeln und wusste genau, wo sich die Inselgruppe Fernando de Noronha befand, innerhalb der Cabeluda liegt.
Es wurde eine lange Nacht für Yasha. Die Strömung erfasste das kleine Segelboot und trug es immer weiter fort. Als die Sonne wie ein großer roter Feuerball am Horizont aufging, begann es in der Kajüte zu rumoren: Der Riese erwachte. Die ersten Sonnenstrahlen hatten ihn so sehr an der Nase gekitzelt, dass er heftig niesen musste. Yasha verdrehte die Augen – gleich würde es mit der morgendlichen Ruhe vorbei sein!
Schwankend
erschien der Riese
an Deck. Nachdem er sich ausgiebig gereckt und gestreckt hatte, griff er einen Eimer, lehnte sich über die Reling und füllte ihn mit Wasser. »Seelen tut das gut«, dröhnte der Riesenpirat und leerte den Eimer mit einem Schwung über Yasha aus. Der Junge kreischte und schnappte nach Luft. Das Wasser war eiskalt! »Jetzt bist du wach geworden, kleiner Wurm!«, grinste der Riese, schubste Yasha vom Steuer weg und schaute auf den Kompass.
»Du Trottel, du Pechseele! Du bist ganz und gar vom Kurs abgekommen! Hast uns direkt in die stillen Gewässer gesteuert! Rudern wirst du jetzt, du dummer Junge! Denn hier wird nie ein Windchen aufkommen! Das wird eine lange Reise!«, brüllte der Riese, denn er war furchtbar wütend. »Riese, bitte sei mir nicht böse!«, flehte Yasha ihn an. »Ich bin noch nie gesegelt und du hast so fest geschlafen, dass ich dich nicht wecken konnte. Aber ich habe die Seekarte von Manolo Groß.«
Wütend riss der Riese ihm die Karte aus der Hand. Dann knüllte er sie zusammen und warf sie ins Meer. Entsetzt rannte Yasha zum Achterdeck und fischte sie wieder aus dem Wasser. Dabei bemerkte er den großen schwarzen Schatten, direkt unter dem Boot. Gebannt starrte er in die Tiefe: »Riese! Komm mal her!«, schrie er. »Was ist das?« »Das können nur die Seeschlangen vor Sierra Leones Schwelle sein!«, brüllte der Riese. »Alle Segel runter, Axt rausholen, Enterhaken, Messer. Pechseele! Hol alles, was wir als Waffe gebrauchen können, an Deck! Die Bestien werden gleich kommen!«
Die Gegend um Sierra Leones Schwelle ist mit Seeschlangen verseucht. Genau so war es auch in der Karte eingezeichnet, die Warnung »Lebensgefährlich!« hatte Manolo Groß sogar mit einem roten Stift unterstrichen.
Schwitzend schleppte
Yasha die Waffen
an Deck. Immer mehr Seeschlangen umkreisten das kleine Boot und es dauerte nicht lange, bis die ersten angriffen. Das Segelboot begann gefährlich zu schaukeln. Der Riese und Yasha versuchten, die Schlangen mit ihren Enterhaken zurück ins Wasser zu schieben. Aber es waren zu viele! Einige der glitschigen Seeungeheuer hatten sich fest um die Reling gewickelt und ließen sich von dort aus aufs Deck fallen. Plötzlich verlor Yasha das Gleichgewicht, seine Axt fiel ihm aus der Hand und rutschte über die Planken. Eine große, blaue Seeschlange hatte sich um seine Beine gewunden. »Hilfe«,
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