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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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schließen müssen! Als es an seine Tür klopfte, hätte er am liebsten gar nicht aufgemacht. »Sicher wieder einer der Clowns …«, brummte Monsieur Pilori unwillig vor sich hin und öffnete.
    »Gestatten, Nabrüz – Ideenverkäufer! Hast du keine, bring ich eine!«, erklang eine freche Stimme. Abweisend musterte Monsieur Pilori den jungen Mann vor seinem Wohnwagen. Er trug einen abgetragenen Anzug und ein zerknittertes Hemd. Seine roten Haare waren mit Haargel fest an den Kopf geklebt. Doch das Merkwürdigste an dem Fremden waren seine Augen, das eine war braun, das andere blau. »Ihr Freund, Graf Gregorio, schickt mich. Ich soll hier einen Zirkus retten!«, sagte der Fremde und drängte sich frech an Monsieur Pilori vorbei in den Wohnwagen.
    Herr Nabrüz schien
    sich sofort
    sehr zuhause zu fühlen. Er warf seine Aktentasche auf Monsieur Piloris Bett und öffnete sie. Dann stellte der Ideenverkäufer ein Glas, einige Beutel und eine kleine Flasche auf den Tisch. »So, nun schauen wir einmal gemeinsam in die Zukunft des Zirkus Pilori! Hinsetzen!« Ergeben ließ sich der Zirkusdirektor auf einen Stuhl plumpsen.
    Schwungvoll goss Herr Nabrüz den Inhalt der Flasche ins Glas. Dann griff er in die Beutel, eine Fingerspitze hiervon, eine davon. Gut umgerührt, die zartrosa Flüssigkeit begann zu brodeln. Zufrieden hielt der Ideenverkäufer das Glas dicht vor Monsieur Piloris Nase. »So kann die Zukunft werden! Hinschauen!« Gebannt starrte Monsieur Pilori auf die Bilder im Glas:
    Der Zirkus Pilori war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Stolz kündigte der Direktor seine neue Attraktion, die Nummer mit dem fliegenden Pferd Pegasus, an. Der zauberhafte Gesang einer kleinen Geige setzte ein und der Lichtkegel folgte einem Reiter, der in einem prächtigen ungarischen Kostüm in die Manege ritt. Langsam drehte der weiße Hengst mit der herzförmigen Blesse die erste Runde. Noch wirbelten seine Hufe das Sägemehl auf. Dann trabte Pegasus ein winziges Stück über dem Boden in die Luft. Die Leute beugten sich vor und tuschelten aufgeregt miteinander. Flog das Pferd oder flog es doch nicht? »Höher, höher!«, erklangen die ersten Rufe. Nun zeigte Pegasus, was in ihm steckte, und hob ab. Die Zuschauer tobten vor Begeisterung.
    Die Bilder
    im Glas
    verschwanden. Verzückt lächelte Monsieur Pilori. Er war bereit, alles dafür zu tun, damit diese Bilder Wirklichkeit würden. Verschwörerisch flüsterte Herr Nabrüz auf ihn ein. Der Zirkusdirektor nickte zustimmend.
    Budapest kannte Yasha inzwischen gut. So war sein Erstaunen groß, als er unsanft in dornigen Büschen landete. Von der Hauptstadt Ungarns und ihrer berühmten Brücke, die die beiden Stadtteile Buda und Pest miteinander verbindet, keine Spur. Er stand am Rande eines lichten Wäldchens. Vor ihm lag hügeliges Grasland. Neben ihm erhob sich eine hohe, zerklüftete Felswand. Der Talisman hatte ihn in der Puszta abgesetzt. Anklagend sah Yasha auf seinen magischen Glücksbringer herab. Er wünschte sich doch nach Budapest, um dort nach seiner Mutter zu suchen. Auf einmal begann der Boden unter ihm zu beben. Gerade noch rechtzeitig schaffte es der Junge, sich hinter einem großen Stein in Sicherheit zu bringen, bevor eine Herde wilder Pferde an ihm vorbeiraste. Ihre Nüstern schäumten und ihre Augen waren angsterfüllt – irgendetwas hatte die Tiere zu Tode erschreckt.
    Als die Tiere in der Ferne verschwunden waren, wagte sich Yasha hinter dem Felsen hervor. Eine dichte Staubwolke hing in der Luft.
    In der Ferne entdeckte Yasha einen einsamen Reiter, der sich rasch näherte. Das Pferd des Fremden war kohlrabenschwarz, mit einer Mähne so lang, dass sie fast auf dem Boden schleifte. Der Reiter trug einen langen dunklen Umhang, der mit Pelz gefüttert war und wie Flügel um ihn herum wehte. In der Hand hielt er einen goldenen Speer, der in der Abendsonne glänzte. »Hallo, hallo!«, schrie Yasha. Doch zu Yashas Erstaunen ritt der Mann an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sein Gesicht war verschleiert, nur seine Augen konnte Yasha sehen. Sie waren sehr dunkel und blickten abwesend in die Ferne. »Hallo!«, rief Yasha noch einmal. Vergebens: Der Fremde ritt weiter. Da bemerkte Yasha, dass die Hufe des schwarzen Pferdes glühten. Kleine Funken verbrannten das Gras und es roch widerlich nach Schwefel.
    Plötzlich bebte die Erde wieder – Yasha erschrak. Sogar der Stein, auf den er sich gesetzt hatte, wackelte bedrohlich. Geistesgegenwärtig ließ der

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