Der Talisman (German Edition)
wehrte ab. »Ich muss dir noch etwas erzählen, aber ich weiß nicht, wie …« Verlegen schaute Steju Alumentai an. »Alumentai, bitte sag du es ihm! Ich kann es nicht.« So erfuhr Yasha etwas, was ihn übermäßig freute: Steju und Marisa hatten sich verliebt. Das kam Yasha so gelegen, dass er fast einen Freudentanz vollbracht hätte. Aber das ließ er lieber, stattdessen umarmte er Steju und sagte: »Steju, wie schön! Dann heiratet ihr heute. Ich muss meine Eltern finden! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen einen Plan schmieden. Ich möchte den Riesen nicht traurig machen. Er hat so viel für mich getan!« Da sagte Alumentai: »Salvi-Co-Ilu! Ich weiß, wie! Erinnerst du dich noch an die Hochzeitsbräuche auf der Insel? Da haben wir doch merkwürdige Sitten. Du weißt: gegen das böse Auge! Und die Braut …« Da fiel es Yasha wieder ein und er unterbrach Alumentai begeistert: »Ja, der Bräutigam und zwei seiner Freunde werden genau gleich angezogen und geschminkt, um das böse Auge zu verwirren. Hurra! Alumentai, du bist wunderbar!«
Alumentai musste über die Freude der beiden Jungen lächeln. Sie zwinkerte ihnen verschwörerisch zu und watschelte davon, um das kleine Täuschungsmanöver vorzubereiten.
Die Inselbewohner, die ständig mit Naturgewalten zu tun haben, sind sehr abergläubisch. Das böse Auge gehört für sie zu den schlimmsten Bedrohungen überhaupt. Das Böse kommt direkt aus dem Herzen eines Wesens und steigt bis in seine Augen. Wer dann in diese Augen schaut, den trifft schreckliches Unheil. Besonders bei glücklichen Ereignissen ist das böse Auge anwesend, denn es ist sehr neidisch. Aber man kann es überlisten. Aus diesem Grunde werden auf Cabeluda Hochzeiten nur abends bei Neumond gefeiert, wenn die Sicht des bösen Auges am schwächsten ist. Die Braut trägt zum Schutz einen sehr großen Schleier und wird nach der Hochzeit in einer Kiste aus Oleanderzweigen zu ihrem neuen Haus gebracht. Der Bräutigam nimmt, um sich zu schützen, zwei Freunde mit, die genau wie er angezogen sind, um das böse Auge zu verwirren.
So würde es nicht auffallen, wenn Steju an Yashas Stelle die Braut heiratete. Aber eines wollte Yasha noch erledigen, denn inzwischen liebte er den Riesen und er wollte ihm nicht wehtun.
Der riesige Pirat sollte wissen, warum Yasha ihn getäuscht hatte. Also lief der Junge zum Strand, um eine Helmschnecke zu finden. Eine Helmschnecke ist eine Riesenmuschel, die innen wie eine unendliche Spirale aussieht. Zurück in seinem Häuschen sprach Yasha laut und deutlich in die Muschel und die Muschel gab seine Stimme wieder. Vorsichtig legte er sie zur Seite. Da erschienen schon die »La-La«-Damen, um Yasha für die Hochzeit herauszuputzen. Sie trugen seltsam geraffte weiße Gewänder und ihre Gesichter waren mit zarten Schleiern verhüllt. An ihren Gürteln bimmelten hunderte von kleinen Glöckchen. Eine sang die ganze Zeit und schwang ein Gefäß mit einer blauen Flüssigkeit. Yasha schwitzte vor Nervosität. Drei der »La-La«-Damen kneteten ihn durch, schrubbten ihn mit getrockneten Algen und ölten ihn mit einem seltsamen Pflanzenextrakt ein, das alles andere als gut roch. Sie bürsteten Yashas Haare und puderten sie danach mit Asche. Auf sein Herz klebte die Sängerin mit ihrer Spucke drei Oleanderblätter. Yasha konnte diese Zeremonie kaum noch ertragen und stöhnte verärgert! Da kippte die Sängerin ihm ein bisschen blaue Flüssigkeit in den Mund. Es schmeckte so grässlich, dass er still blieb, bis sie endlich fertig waren. Rückwärts tänzelnd verschwanden die »La-La«-Damen, nachdem sie das ganze Haus mit der blauen Flüssigkeit besprenkelt hatten. Nach dieser Behandlung war Yasha fix und fertig. Schicksalsergeben zog er seine Hochzeitskleider an, die die »La-La«-Damen aufs Bett legten. Ein Blick in den Spiegel ließ ihn erstarren: Er sah grauenhaft aus! Um seine Augen herum waren gelbe und weiße Kreise gemalt und seine Lippen waren schwarz geschminkt. »Oh Gott«, dachte er, »So laufe ich nicht rum!« Er beugte sich über die Wasserschüssel, um alles abzuwaschen. Aber da spürte er, wie ihn sein Talisman fast verbrannte. Natürlich! Die beiden anderen sahen ja auch so aus. Die Schminke und die eklig riechende Flüssigkeit mussten bleiben! Yasha schnitt seinem Spiegelbild noch schnell eine Grimasse, packte die Muschel und verließ eilig das Haus. Draußen warteten schon Steju und ein anderer Junge. Sie waren genauso lächerlich herausgeputzt wie er. Der
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