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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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gegen Mittag ein kleines Dorf. Dort können wir etwas essen und uns eine Weile ausruhen, bevor wir hoch zum heiligen Wald aufsteigen!«, versprach der kleine Lama.
    Der Berg war tatsächlich knallgrün, sogar dort, wo gar keine Pflanzen wuchsen. Er bestand aus Felsen, deren Adern grün schimmerten. Auf halber Höhe des Hanges erstreckte sich der heilige Pinienwald. Kleine Wege führten nach oben. Die niedrigen Häuschen des Dorfes standen eng zusammengedrängt am Fuß des Berges. Auf einem Acker versuchte ein Bauer gerade einen störrischen Yak vor den Pflug zu spannen. Dabei fluchte er leise vor sich hin. Als er die kleine Heiligkeit und Yasha kommen sah, ließ er alles stehen und liegen, um laut rufend ins Dorf zu laufen.
    Als die beiden
    Freunde die Häuser
    erreichten, hatten sich die Dorfbewohner schon versammelt und verbeugten sich, die Hände auf Brusthöhe ehrfürchtig vor der kleinen Heiligkeit gefaltet. Der kleine Lama ging die Reihe der Menschen ab und segnete jeden von ihnen. Ein alter Bauer bat die beiden Freunde in sein Haus. Es roch nach kaltem Feuer und Weihrauch. Aus einer verbeulten Blechkanne schenkte der Alte zwei Schalen mit Buttertee ein. Mit leuchtenden Augen trank der kleine Lama das heiße Getränk. Yasha dagegen schnupperte. Es roch furchtbar ranzig, mit Mühe unterdrückte Yasha das Würgen, mit dem sein Magen versuchte, sich gegen diese zweifelhafte Köstlichkeit zu verteidigen. »Genau so soll er sein. In China haben sie immer ganz normale Butter hineingetan. In diesem Tee ist richtige Yakbutter. Lecker! Magst du ihn nicht?«, fragte der kleine Lama und leckte sich genussvoll über die Lippen. Bevor Yasha antworten konnte, öffnete sich die Tür und die Dorfbewohner betraten das Haus. Mit ihnen wehte ein appetitlicher Geruch herein. Schüsseln, gefüllt mit dampfenden Teigtaschen, getrockneten Fleischstreifen und kalten Bohnen wurden vor sie hingestellt. Zum Schluss brachte jemand eine Schüssel mit einem Brei, der verdächtig nach ranziger Butter roch. Misstrauisch ließ Yasha die Augen über die Schälchen wandern. Die kleine Heiligkeit langte zielsicher mit den Fingern in den Brei und formte geschickt eine Kugel nach der anderen, die er sich in den Mund schob. Die Dorfbewohner lächelten geschmeichelt und der alte Bauer schenkte Buttertee nach. Über Yashas voller Teeschale verharrte die Kanne. Unsicher schaute Yasha zu seinem Gastgeber auf. »Mein Freund hat ein Gelübde abgelegt!«, rettete der kleine Lama die Situation und schluckte schnell seinen Breiball herunter. »Er hat geschworen, so lange auf Buttertee zu verzichten, bis er seine Eltern wiedergefunden hat!« Fröhlich griff die kleine Heiligkeit nach Yashas voller Teeschale und zog den Brei, der tatsächlich mit Buttertee zubereitet war, zu sich heran. Die anderen Schüsseln schob er ein bisschen weiter zu Yasha herüber.
    Die Dorfbewohner winkten ihnen noch lange hinterher. Die Sonne prallte auf den Felsen und es war heiß wie in einem Ofen. Yasha hatte seinen Fellmantel und die Mütze zu einem Bündel zusammengerollt und auf seinem Rücken befestigt. Sehnsüchtig blickte er zu dem schattigen Pinienwald hoch. Die kleine Heiligkeit hatte erzählt, dass dort Schneeleoparden lebten. Schwitzend und schnaufend stapften die beiden Freunde den steilen Berg hinauf. Dabei grübelte Yasha darüber nach, wie ein Schneeleopard diese Hitze hier aushalten konnte. Die Antwort kam prompt. Der Himmel wurde schwarz, riesige Wolkenmassen schoben sich über die Bergspitzen und es kam ein Sturm auf, wie es ihn nur im Himalaya gibt. Der Wind heulte, es hagelte und schneite so stark, dass Yasha und der kleine Lama fast nichts mehr sehen konnten. Sie stemmten sich gegen den Wind und kämpften sich zum Pinienwald hoch. An einem Baum mit großen knorrigen Wurzeln fanden sie Schutz. Schnell schoben die beiden Freunde die weichen Piniennadeln zusammen und schlüpften unter Yashas Mantel. »Vielleicht müssen wir uns heute noch mit der schwersten aller Übungen beschäftigen!«, prophezeite der kleine Lama verschlafen. »Welche ist das?«, gähnte Yasha zurück. »Die Bekämpfung der Angst!«, murmelte der kleine Tibeter und schlief prompt ein.
    Mitten in der Nacht
    wachte Yasha auf: »Ein Schneeleopard!«, dachte er erschrocken und rüttelte den kleinen Lama wach. Vorsichtig linsten die beiden unter dem Fellmantel hervor. Das Mondlicht warf gespenstische Schatten und im Wald waren unheimliche Geräusche zu hören. Yasha hielt den Atem an, als er den

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