Der Talisman (German Edition)
Kinder das und sie antworteten alle gleichzeitig. Es hörte sich an wie eine aufgeregt schnatternde Gänseherde. Energisch drängelte sich das rothaarige Mädchen nach vorne und stemmte die Hände in die Hüften. »Ruhe! Seid alle sofort still! Ich habe den großen Jungen gefunden und antworte zuerst!«, kommandierte die Kleine. »Also, du bist in Rumänien. Unsere Stadt heißt Sibiu und liegt in Siebenbürgen, am Südrand des Transsilvanischen Hochlands. Und jetzt bist du dran!«, sagte sie und gab dem Jungen, der Yasha das Brot gegeben hatte, einen freundschaftlichen Stoß. Der Kleine bekam ganz rote Ohren und überlegte eine Weile, bevor er antwortete: »Ich mag am liebsten die Tiere. Bei uns im Wald gibt es wilde Bären, Wölfe und Luchse. Die beobachte ich mit meinem Vater …« In der Ferne läutete die Schulglocke. Eilig setzte der Kleine seinen Schulranzen auf und lief den anderen Kindern hinterher.
Yasha
schüttelte
den Kopf. Die Schwalben der kleinen Heiligkeit hatten einen Fehler gemacht. Aber der Talisman würde ihm schon helfen. Yasha hob den steinernen Schmetterling und sagte leise: »Talisman! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche nach Budapest zu gelangen!« Nichts geschah. Irritiert blickte Yasha auf seinen magischen Glücksbringer herab und wiederholte: »Talisman! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche nach Budapest zu gelangen!« Aber es half nichts, der steinerne Schmetterling reagierte nicht. Wütend trat Yasha gegen ein schuldloses Steinchen, das auf dem Bürgersteig lag. »Ich kann, ich kann, ich kann und ich werde mir etwas einfallen lassen! Meine Eltern warten schon viel zu lange auf mich. Wenn du mir nicht helfen willst, dann lass es! Ich komme auch ohne dich nach Budapest!«, grollte Yasha und marschierte los. Er wollte sich gerade an einer Gruppe junger Leute vorbeidrängeln, die an einer Haltestelle zwischen Bergen von Koffern und Rucksäcken auf ihren Bus warteten, als er hörte: »Nun ist meine Stelle in der Stadtbücherei wieder frei. Leider habe ich keinen Nachfolger gefunden! Wo sind sie nur, die strebsamen Studenten, die sich in den Ferien Geld verdienen wollen?« »Das ist es!«, dachte Yasha erfreut. »Wenn es in der Bücherei Arbeit für mich gibt, kann ich mir das Geld für eine Fahrkarte nach Budapest verdienen!«
Die Rollen des Bücherwagens quietschten leise, als Yasha ihn durch die Gänge der großen Stadtbücherei schob, um die gelesenen Werke wieder in die Regale zu sortieren. Plötzlich schoss sein Kollege Emil Knall um die Ecke und strahlte übers ganze Gesicht. »Ah, Yasha, hier bist du!«, lachte er und stellte polternd einen schweren Bücherstapel auf dem Bücherwagen ab. »Bevor du nach Budapest abreist, wollte ich dir gerne etwas von unserem Land zeigen. Meine Großmutter wohnt in einem kleinen Bergdorf, die Bauern leben dort noch so wie vor 100 Jahren. Die Häuser haben keinen Strom und kein fließendes Wasser. Wir können bei Großmutter übernachten, sie freut sich über Besuch. Na, wie ist es, Yasha? Kommst du am nächsten Wochenende mit?« Yasha freute sich über Emils Einladung. Das Geld für die Fahrkarte nach Budapest hatte er fast zusammengespart und bisher hatte er von Rumänien nur die hübsche Stadt Sibiu gesehen. Und dann war es soweit. Bepackt mit schweren Rucksäcken verließen die beiden Jungen die Stadt. Die Häuser wurden kleiner und kleiner und bald erreichten Yasha und Emil den Wald. Die Straße ging nun steil bergauf. Nach einer Weile bog Emil auf einen kleinen Pfad ab. Rechts von ihnen erhob sich eine schroffe Felswand.
Sie waren bereits
eine Weile
gegangen, als Emil plötzlich stehenblieb und auf den Boden deutete: »Da, Bärenspuren! Und dort an dem Baumstamm sieht man Spuren von Krallen.« Ängstlich sah sich Yasha um. »Der Bär wird sich bestimmt nicht blicken lassen. Wir sind viel zu laut gewesen!«, kicherte Emil und ging fröhlich pfeifend weiter. Sie überquerten einen kleinen Bach. Der Weg führte über eine Bergwiese, auf der Schafe grasten. Vier struppige Hütehunde sprangen knurrend und kläffend auf die Jungen zu. Emil schnalzte missbilligend mit der Zunge und sie warteten, bis die Hirten ihre Hunde zurückgerufen hatten. Auf der anderen Seite der Weide, neben der einfachen Holzhütte der Hirtenfamilie, führte der Weg weiter. Durch die offene Tür sah Yasha zwei Frauen, die damit beschäftigt waren, aus der Milch der Schafe Käse herzustellen. Neugierig blieb Yasha stehen.
Als die Frauen die
reglose Gestalt in der
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