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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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vorsichtig wählen musste – was er sagte, konnte nicht nur darüber entscheiden, ob er und Wolf freigelassen wurden; es fiel ihm auch schwer, die Worte zu formulieren –, alles schien ganz langsam abzulaufen. »Wir fahren überhaupt nur ganz selten per Anhalter, weil Wolf – Jack, meine ich – Autos zuwider sind. Wir tun es nicht wieder. Wir haben nichts Böses getan, Sir, und das ist die Wahrheit.«
    »Du verstehst nicht ganz, mein Junge«, sagte der Richter, und seine weitsichtigen Augen funkelten wieder. Er genießt das, wurde Jack plötzlich klar. Richter Fairchild kehrte langsam hinter seinen Schreibtisch zurück. »Es geht nicht darum, dass ihr per Anhalter gefahren seid. Ihr beide seid allein auf den Straßen unterwegs, kommt von Nirgendwo, geht nach Nirgendwo – regelrechte Zielscheiben für Ärger.« Seine Stimme glich dunklem Honig. »Aber wir haben hier in diesem Bezirk etwas, das wir für eine nicht alltägliche Einrichtung halten – vom Staat gutgeheißen und gefördert –, etwas, von dem man sagen könnte, dass es gerade für Jungen wie euch eingerichtet worden ist. Es nennt sich Sunlight Gardener-Bibelheim für gestrauchelte Jungen. Was Mr. Gardener bei Burschen, die in Schwierigkeiten geraten sind, bewirkt hat, kann man nur als Wunder bezeichnen. Wir haben ihm ein paar ganz zähe Brocken geschickt, und im Handumdrehen hatte er die Jungen so weit, dass sie auf den Knien lagen und Jesus um Vergebung baten. So etwas kommt nicht alle Tage vor, findest du nicht?«
    Jack schluckte. Sein Mund kam ihm trockener vor, als er im Schuppen gewesen war. »Sir, wir müssen unbedingt so schnell wie möglich nach Springfield. Sie werden sich Sorgen machen …«
    »Das bezweifle ich sehr«, sagte der Richter und lächelte mit all seinen Runzeln. »Aber weißt du was? Sobald ihr zwei Schulschwänzer auf dem Weg ins Sunlight-Heim seid, rufe ich in Springfield an und lasse mir die Nummer geben von dieser Helen – Wolf, nicht wahr? Oder war es Helen Vaughan?«
    »Vaughan«, sagte Jack, und eine heiße Röte überzog sein Gesicht wie im Fieber.
    »Ja«, sagte der Richter.
    Wolf schüttelte den Kopf, blinzelte und legte dann eine Hand auf Jacks Schulter.
    »Ah, du kommst wieder zu dir, Junge«, sagte der Richter. »Kannst du mir sagen, wie alt du bist?«
    Wolf blinzelte wieder und sah Jack an.
    »Sechzehn«, sagte Jack. »Und du?«
    »Zwölf.«
    »Oh, ich hätte dich für etliche Jahre älter gehalten. Umso wichtiger ist es, dass dir geholfen wird, bevor du ernstlich in Schwierigkeiten gerätst, finden Sie nicht, Franky?«
    »Amen«, sagte der Polizist.
    »In einem Monat kommt ihr wieder her«, sagte der Richter. »Dann werden wir feststellen, ob sich euer Gedächtnis gebessert hat. Warum sind deine Augen so blutunterlaufen?«
    »Sie fühlen sich irgendwie komisch an«, sagte Jack, und der Polizist bellte. Eine Sekunde später begriff Jack, dass er gelacht hatte.
    »Bring sie fort, Franky«, sagte der Richter. Er griff bereits nach dem Telefon. »In dreißig Tagen werdet ihr nicht wieder zu erkennen sein. Darauf könnt ihr euch verlassen.«
    Während sie die Treppen des Ziegelsteingebäudes der Stadtverwaltung hinunterstiegen, fragte Jack Franky Williams, warum sich der Richter nach ihrem Alter erkundigt hatte. Der Polizist blieb auf der untersten Stufe stehen und machte eine halbe Drehung, um Jack aus seinem feisten Gesicht heraus anzufunkeln. »Der alte Sunlight nimmt sie gewöhnlich mit Zwölf auf und lässt sie mit Neunzehn wieder frei.« Er grinste. »Willst du damit sagen, dass du ihn noch nie im Radio gehört hast? Er ist so ziemlich das Berühmteste, was wir in dieser Gegend haben. Ich bin ziemlich sicher, dass man sogar in Daleville schon vom alten Sunlight Gardener gehört hat.« Seine Zähne waren kleine, verfärbte, unregelmäßig stehende Stummel.
     
    3
     
    Zwanzig Minuten später befanden sie sich wieder in Farmland.
    Wolf war mit überraschend wenig Widerstreben in den Fond des Wagens gestiegen. Franky Williams hatte den Schlagstock von seinem Gürtel gelöst und gesagt: »Willst du den wieder kosten, du Schwachkopf? Wer weiß, vielleicht macht er dich helle.« Wolf hatte gezittert. Seine Nase hatte sich verzerrt, aber er war Jack in den Wagen gefolgt, wo er sich sofort die Nase zugehalten und begonnen hatte, durch den Mund zu atmen. »Wir kommen wieder aus diesem Ort heraus, Wolf«, hatte Jack ihm ins Ohr geflüstert. »Ein paar Tage, dann wissen wir, wie wir es anfangen müssen.«
    »Ruhe da

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