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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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stehen.
    »Ja, wir haben Feinde«, wiederholte er. »Zweimal hat der Staat Indiana nun schon versucht, mein Haus zu schließen. Und wisst ihr warum? Die radikalen Humanisten können den Gedanken nicht ertragen, dass ich hier im Sunlight-Heim meinen Jungen beizubringen versuche, Gott und ihr Vaterland zu lieben. Es macht sie wütend. Und wollt ihr noch etwas wissen, Jungen? Wollt ihr ein ganz großes Geheimnis erfahren?«
    Sie beugten sich vor, ließen den Blick nicht von Sunlight Gardener.
    »Es macht sie nicht nur wütend«, sagte Gardener mit heiserem Verschwörerflüstern. »Es jagt ihnen Angst ein.«
    »Halleluja!«
    »Oh ja!«
    »Amen!«
    Blitzschnell ergriff Sunlight Gardener wieder das Mikrophon, und dann ging es los. Auf und ab. Hin und her. Manchmal legte er einen Twostep ein, wie ihn ein Varietekünstler in einem Cakewalk um 1910 nicht besser gekonnt hätte. Er warf ihnen die Worte zu, reckte einen Arm zuerst den Jungen entgegen und dann zum Himmel empor, wo Gott vermutlich seinen Sessel herbeigezogen und sich darauf niedergelassen hatte, um zuzuhören.
    »Wir jagen ihnen Angst ein, oh ja! Jagen ihnen so viel Angst ein, dass sie noch einen Cocktail brauchen, noch einen Joint, noch eine Prise Kokain! Wir jagen ihnen Angst ein, weil selbst gerissene alte Gottesleugner und Jesushasser wie sie Rechtschaffenheit und Gottesfurcht riechen können, und wenn sie das riechen, dann riechen sie auch den Schwefeldunst, der ihnen aus den Poren dringt, und der Geruch gefällt ihnen gar nicht, oh nein! Und deshalb schicken sie immer mal wieder einen Inspektor oder zwei, damit sie Müll unter die Küchentresen schieben oder ein paar Schaben ins Mehl stecken! Sie setzen gemeine Gerüchte in die Welt und behaupten, meine Jungen würden geschlagen. Werdet ihr geschlagen?«
    »NEIN!« brüllten sie entrüstet, und Jack war fassungslos, als er bemerkte, dass Morton die Frage ebenso begeistert verneinte wie alle anderen, obwohl sich auf seiner Wange bereits ein blauer Fleck zu bilden begann.
    »Diese radikalen Humanisten haben uns sogar einen Haufen gerissener Reporter von irgendeinem Nachrichtenmagazin ins Haus geschickt!« rief Sunlight Gardener mit einer Art empörten Staunens. »Sie sind hierhergekommen und haben gesagt, ›Okay, aus wem sollen wir Kleinholz machen? Das haben wir schon hundertfünfzigmal getan, wir sind Experten im Verleumden der Rechtschaffenen, aber keine Sorge, gib uns nur ein paar Joints und ein paar Cocktails und zeig uns die Richtung. ‹ Aber wir haben sie zum Narren gehalten, nicht wahr, Jungen?«
    Grollende, beinahe bösartige Zustimmung.
    »Sie fanden niemanden, der an einen Balken in der Scheune angekettet war, oder? Sie fanden keine Jungen in Zwangsjacken, wie ihnen einige dieser zur Hölle verdammten Schakale von der Schulbehörde weismachen wollten, oder? Sie fanden keine Jungen, denen man die Fingernägel ausgerissen oder den Kopf kahlgeschoren hatte oder sonst etwas dergleichen! Das einzige, was sie fanden, waren ein paar Jungen, die sagten, sie hätten eine Tracht Prügel bekommen, und das haben sie tatsächlich, oh ja, sie bekamen eine Tracht Prügel, und das kann ich selbst bezeugen vor dem Thron des Allmächtigen mit einem Lügendetektor an beiden Armen, weil es in der Bibel heißt, wer seine Rute SCHONT, der HASST seinen Sohn, und wenn ihr das glaubt, Jungen, dann gebt mir ein Halleluja!«
    »HALLELUJA!«
    »Selbst das Erziehungsministerium von Indiana, so gern es mich losgeworden wäre und dem Teufel freie Bahn geschaffen hätte, selbst das musste zugeben, dass das Gesetz Gottes und das Gesetz des Staates Indiana übereinstimmen, wenn es um eine Tracht Prügel geht, dass der, der seine Rute SCHONT, seinen Sohn HASST! Sie fanden GLÜCKLICHE Jungen! Sie fanden GESUNDE Jungen! Sie fanden Jungen, die Willens waren, mit dem Herrn zu GEHEN und zum Herrn zu STEHEN, oh, könnt ihr Halleluja sagen? «
    Sie konnten es.
    »Könnt ihr oh ja sagen?«
    Auch das konnten sie.
    Sunlight Gardener kehrte zum Pult zurück.
    »Der Herr behütet diejenigen, die ihn lieben – und der Herr lässt nicht zu, dass ein Haufen potrauchender Kommunisten und radikaler Humanisten müden, verirrten Jungen diese Ruhestätte nimmt.
    Da waren ein paar Jungen, die diesen so genannten Reportern einen Haufen Lügen auftischten«, sagte Gardener. »Ich habe gehört, wie sie diese Lügen im Fernsehen wiederholten, und obwohl diese Jungen, die uns mit Dreck bewarfen, zu feige waren, auf dem Bildschirm ihre Gesichter zu zeigen,

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