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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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hintere Tür auf Jacks Seite.
    »HILFE!« schrie Jack.
    Dann versuchte der Mann mit der dunklen Brille, ihn so zu beugen, dass er durch die offene Tür passte. Jack wehrte sich, immer noch schreiend, aber der Mann verstärkte mühelos seinen Griff. Jack schlug ihm auf die Hände, versuchte, sie fortzuschieben, aber die Finger bohrten sich wie Krallen in seine Seite. Jack schrie abermals.
    Aus einiger Entfernung kam eine laute Stimme: »He, lasst den Jungen los! Ihr da! Lasst den Jungen in Ruhe!«
    Jack keuchte erleichtert und versuchte mit aller Kraft, sich aus den Armen des Mannes zu befreien. Vom Ende des Blocks kam ein hochgewachsener, magerer Schwarzer auf sie zugerannt, immer noch rufend. Der Mann, der Jack festhielt, ließ ihn auf den Gehsteig fallen und hastete um den Wagen herum. Die Vordertür eines der Häuser hinter Jack wurde aufgerissen – ein weiterer Zeuge.
    »Schnell, schnell !« sagte der Fahrer, den Fuß schon auf dem Gaspedal. Der Weißgekleidete glitt auf den Beifahrersitz, und der Wagen schoss mit quietschenden Reifen quer über den Rodeo Drive, knapp an einem langen, weißen Clenet mit einem sonnengebräunten Mann im Tennisdress vorbei. Die Hupe des Clenet heulte auf.
    Jack rappelte sich hoch. Ihm war schwindlig. Ein kahlköpfiger Mann in einem bräunlichen Safarianzug tauchte neben ihm auf und sagte: »Wer waren die Männer? Weißt du, wie sie heißen?«
    Jack schüttelte den Kopf.
    »Ist dir etwas passiert? Wir sollten die Polizei rufen.«
    »Ich möchte mich hinsetzen«, sagte Jack, und der Mann trat einen Schritt zurück.
    »Soll ich die Polizei rufen?« fragte er, und Jack schüttelte den Kopf.
    »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte der Mann. »Wohnst du hier in der Nähe? Ich hab dich doch schon gesehen, oder?«
    »Ich bin Jack Sawyer. Ich wohne dort drüben.«
    »In dem weißen Haus«, sagte der Mann und nickte. »Du bist Lily Cavanaughs Sohn. Ich bringe dich nach Hause, wenn du möchtest.«
    »Wo ist der andere Mann?« fragte Jack. »Der Schwarze – der, der gerufen hat?«
    Er wich einen unsicheren Schritt vor dem Mann im Safarianzug zurück. Außer ihnen war niemand auf der Straße.
    Lester Speedy Parker war der Mann gewesen, der auf ihn zugelaufen war. Und jetzt begriff Jack, dass Speedy ihm damals das Leben gerettet hatte, und er rannte nur noch schneller auf das Hotel zu.
     
    3
     
    »Hast du gefrühstückt?« fragte seine Mutter und stieß dabei eine Rauchwolke aus. Sie hatte ein Tuch wie einen Turban um den Kopf geschlungen; so, mit verhülltem Haar, wirkte ihr Gesicht knochig und verletzlich. Ein kaum zentimeterlanger Zigarettenstummel schwelte zwischen Zeige- und Mittelfinger, und als sie sah, dass sein Blick darauf fiel, drückte sie ihn im Aschenbecher auf ihrer Frisierkommode aus.
    »Eigentlich nicht«, sagte er, an der Tür zu ihrem Schlafzimmer innehaltend.
    »Bitte ein klares Ja oder Nein«, sagte sie und wendete sich wieder dem Spiegel zu. »Diese Ungewissheit bringt mich um.« Die Spiegelbilder des Handgelenks und der Hand, die Make-up auf Lilys Gesicht auftrug, waren wie dünne Stöcke.
    »Nein«, sagte er.
    »Dann warte einen Augenblick. Wenn deine Mutter sich schön gemacht hat, nimmt sie dich mit nach unten und kauft dir, was dein Herz begehrt.«
    »Okay«, sagte er. »Es war irgendwie deprimierend, da unten allein zu sitzen.«
    »Du hast doch wahrhaftig keinen Grund, deprimiert zu sein …« Sie beugte sich vor und inspizierte ihr Gesicht im Spiegel. »Würde es dir etwas ausmachen, im Wohnzimmer zu warten, Jacky? Ich mache das hier lieber ohne Publikum. Stammeszauber.«
    Jack wandte sich wortlos ab und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
    Als das Telefon läutete, fuhr er zusammen.
    »Soll ich abnehmen?« rief er.
    »Ja, bitte«, kam ihre kühle Stimme zurück.
    Jack hob den Hörer ab und meldete sich.
    »He, Junge, endlich habe ich euch«, sagte Onkel Morgan Sloat. »Was zum Teufel geht im Kopf deiner Mutter vor? Weiß der Himmel, was hier alles passieren kann, wenn sich nicht endlich jemand um die Details kümmert. Ist sie da? Sag ihr, sie muss mit mir reden – mir ist es egal, was sie sagt, aber sie muss mit mir reden. Unbedingt.«
    Jack ließ die Hand mit dem Hörer sinken. Er hätte am liebsten aufgelegt und wäre mit seiner Mutter ins Auto gestiegen und in ein anderes Hotel in einem anderen Staat gefahren. Er legte nicht auf. Er rief: »Mom, Onkel Morgan ist am Apparat. Er sagt, du musst mit ihm sprechen.«
    Sie schwieg einen Moment, und er wünschte

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