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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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    »Wir sprinten hinüber zur Station«, flüsterte Jack. »Ich schätze, es sind ungefähr fünfzig Meter. Wenn sie unverschlossen ist, gehen wir hinein, wenn nicht, suchen wir an der dem Nelson House zugewandten Seite so viel Deckung wie möglich. Sobald wir sicher sind, dass uns niemand gesehen hat, und alles ruhig bleibt …«
    »Flitzen wir hinüber zum Zaun.«
    »Richtig.« Vielleicht müssen wir auch flippen, aber darum brauchen wir uns im Augenblick nicht zu kümmern. »Und zur Zubringerstraße. Ich könnte mir denken, dass alles wieder in Ordnung kommt, sobald wir das Gelände von Thayer verlassen haben. Wenn wir ein paar hundert Meter die Straße entlanggelaufen sind, kannst du vielleicht über die Schulter zurückblicken und in den Häusern und der Bibliothek wie gewöhnlich die Lichter brennen sehen, Richard.«
    »Das wäre herrlich«, sagte Richard so sehnsüchtig, dass es einem fast das Herz brechen konnte.
    »Okay, bist du soweit?«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte Richard.
    »Lauf zur Station. Drück dich an dieser Seite an die Wand. Duck dich hinter den Büschen dort. Siehst du sie?«
    »Ja.«
    »Okay – auf geht’s!«
    Sie lösten sich von Nelson House und rannten Seite an Seite zur Station.
     
    11
     
    Sie hatten knapp die halbe Strecke geschafft, der Atem kam in weißen Dampfwolken aus ihren Mündern, ihre Füße jagten über den schlammigen Boden, als die Glocken der Kapelle in grässliches, kakophonisches Geläute ausbrachen. Ein heulender Hundechor antwortete den Glocken. Sie waren wieder da, die Präfekten, die jetzt Werwölfe waren. Jack tastete nach Richard und stellte fest, dass Richard nach ihm tastete. Ihre Hände schlossen sich umeinander.
    Richard schrie und versuchte, ihn nach links zu ziehen. Seine Hand umkrampfte die von Jack, bis seine Fingerknochen schmerzhaft gegeneinander knirschten. Ein magerer weißer Wolf, ein Aufsichtsratsvorsitzender der Wölfe, kam um die Station herum und raste auf sie zu. Das ist der alte Mann aus der Limousine, dachte Jack. Andere Wölfe und Hunde folgten ihm – und Jack sah, dass einige von ihnen keine Hunde waren; einige waren halbverwandelte Jungen, andere erwachsene Männer -Lehrer, vermutete er.
    »Mr. Dufrey!« kreischte Richard und wies mit seiner freien Hand auf ihn. (Für jemanden, der seine Brille verloren hat, siehst du recht gut, Richieboy, schoss es Jack durch den Kopf! »Mr. Dufrey! O Gott, es ist Mr. Dufrey! Mr. Dufrey! Mr. Dufrey!«
    In diesem Moment erhaschte Jack seinen ersten und einzigen Blick auf den Direktor der Thayer School – einen winzigen alten Mann mit grauem Haar, einer großen, krummen Nase und dem abgezehrten, behaarten Körper eines Leierkastenaffen. Er rannte flink auf allen vieren zusammen mit den Hunden und den Jungen, ein flacher Doktorhut tanzte auf seinem Kopf und weigerte sich irgendwie herunterzufallen. Er grinste Jack und Richard an, und mitten aus dem Grinsen fiel seine Zunge heraus, lang, lose baumelnd und von Nikotin gelb verfärbt.
    »Mr. Dufrey! O Gott! O du lieber Gott! Mr. Dufrey! Mr. Du …«
    Er zerrte Jack immer heftiger nach links. Jack war größer, aber Richard war von Panik ergriffen. Explosionen erschütterten die Luft. Der faulige Müllgestank verdichtete sich. Jack konnte das leise Floppen und Ploppen des aus der Erde herausquellenden Schlammes hören. Der weiße Wolf, der das Rudel anführte, kam näher und näher, und Richard versuchte, Jack von ihm wegzuzerren, versuchte, ihn zum Zaun hinzuzerren, und das war richtig, aber es war zugleich falsch, weil es die Station war, die sie erreichen mussten, nicht der Zaun. Das war der rechte Ort, das war er, weil dies einer der drei oder vier größten Eisenbahn-Knotenpunkte in Amerika gewesen war, weil Eider Thayer der erste gewesen war, der begriff, dass es sich lohnte, Güter nach Westen zu schicken, und jetzt begriff er, Jack Sawyer, es gleichfalls. Es war natürlich nur eine Intuition, aber Jack war zu der Überzeugung gelangt, dass in diesen weittragenden Angelegenheiten seine Intuition das einzige war, auf das er sich verlassen konnte.
    »Lass deinen Passagier los, Sloat!« geiferte Dufrey. »Lass deinen Passagier los, er ist zu hübsch für dich!«
    Aber was ist ein Passagier? dachte Jack in diesen letzten paar Sekunden, während Richard blindlings versuchte, ihn in die falsche Richtung zu zerren, und Jack ihn zurückriss, auf die Horde aus Hunden und Jungen und Lehrern zu, die hinter dem großen weißen Wolf auf die Station

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